Stoppt die Hochzeit!
Moment der Einzige, den sie sich als Verbündeten vorstellen konnte, und sie brachte es nicht fertig, den Blick abzuwenden. Er sah sie so unverwandt an, als wären sie mit einem Kabel verbunden. Sie spürte, wie sich ihr Körper seinem entgegenneigen wollte, jedes Haar, jeder Nerv, jeder Muskel, aber sie spannte sich und blieb wie angewurzelt stehen. Plötzlich änderte sich der Ausdruck in seinen Augen, wurde so sanft, dass ihr der Atem stockte.
Ein paar Sekunden lang verschwand alles um sie herum, und die Stimmen verhallten zu einem entfernten Summen. Sein Kiefer entspannte sich, und sie staunte darüber, wie viel jünger und weniger einschüchternd er wirkte. Dennoch kroch ihr so etwas wie Furcht ins Herz – ein Gefühl, das viel bedrohlicher war als der Weg in den Knast. Denn sie erkannte, dass sie einen Blick auf ein bei ihm vollkommen unvermutetes Mitgefühl erhaschte, und durch diese Erfahrung fühlte sie sich seltsam privilegiert. Ganz gleich, was er für sie empfand, sie wusste , dass dieser Mann nicht zulassen würde, dass ihr etwas widerfuhr, und ihr wurde warm ums Herz.
Er brach den Blickkontakt als Erster ab, und endlich konnte sie wieder atmen. Er legte dem Wachmann die Hand auf den Arm. »Ich glaube, dass wir diese Angelegenheit zur Zufriedenheit aller klären können. Ms Coakley stammt aus Atlanta und ist eine anerkannte Anwältin in Detroit. Sie war gerade mit ihrer Mutter einkaufen, die eine gute Freundin meines Vaters Martin Castleberry ist.«
Warum war ihr nie aufgefallen, wie gut seine Stimme klang? Er nahm Suzanne die Kleidungsstücke aus der Hand und hielt sie mit ausgestrecktem Arm vor sich. Der knappe Stoff wirkte in seinen großen Händen völlig fehl am Platz. Annabelle schluckte. Wie konnte eine so harmlose Handlung so intim wirken? Hatte sie sich verändert? Oder er? Oder etwas anderes? Ihre Wangen glühten vor Scham über das Dilemma, aber auch weil sie Clayton Castleberry plötzlich so anders wahrnahm.
Ojemine. Wie schnell das eigene Leben doch den Bach runtergehen konnte.
Clay starrte die seidene Unterwäsche an, die von seinen Fingerspitzen baumelte. Es überraschte ihn etwas, dass Annabelles Dessous-Geschmack eher auf der wilden Seite angesiedelt war. Es kostete ihn wenig Mühe, sich vorzustellen, wie der hauchdünne BH und die Unterhose sich an ihren schlanken Körper schmiegten, ihr Haar um sie herum ausgebreitet …
Er schüttelte innerlich den Kopf. Als Suzanne ihr vorgeworfen hatte, sie hätte gestohlen, hatte er sich in dem Glauben bestärkt gefühlt, sie hätte einen zwielichtigen Charakter, aber das Gefühl war sehr schnell verpufft. Im einen Moment freute er sich darauf, Martin mitzuteilen, dass zumindest eine der Coakley-Frauen eine Kleptomanin war, im nächsten schaute Annabelle ihn aus ihren großen goldbraunen Augen an und brachte ihn völlig aus dem Konzept. Gleichzeitig kam ihm offenbar die Fähigkeit zu rationalem Denken abhanden, denn als der Wachmann auftauchte und Passanten innehielten und sie anstarrten, meldete sich der Beschützerinstinkt wieder und veranlasste ihn dazu, etwas zu sagen. Er wollte glauben, dass die Frau zu klug war, um Unterwäsche zu stehlen, aber konnte er sich noch auf seine Instinkte verlassen? Aller Augen waren auf ihn gerichtet, als erwarteten sie … was eigentlich?
Er räusperte sich und fuhr fort, zwang sich dazu, das Richtige zu sagen. »Und wenn Ms Coakley sagt, sie hätte vergessen, dass sie diese Artikel noch in der Hand hielt, als sie den Laden verließ, dann ist es auch genau so gewesen.« Sein Blick traf wieder auf ihren, und sie schien sich mit hochrotem Gesicht innerlich zu winden. Er unterdrückte ein Lächeln und reichte die Kleidungsstücke der Verkäuferin aus dem Brautmodengeschäft, bevor er eine schwarze Kreditkarte aus seiner Brieftasche zog. »Stellen Sie sie mir bitte in Rechnung.«
»Ich werde das selbst bezahl …«, setzte Annabelle an, hielt aber inne, als er ihr einen warnenden Blick zuwarf, und presste die Lippen aufeinander. Immerhin wusste sie, wann sie besser schwieg. Zumindest manchmal.
Die ältere Frau warf einen Blick auf die Kreditkarte und lächelte mit neuem Respekt. »Ja, Mr Castleberry, sofort.«
Der Ärger über die Wankelmütigkeit der Menschen wich der Befriedigung, die ihn bei dem Gedanken überkam, dass er mit seinem Namen und seinem Geld die Gelegenheit hatte, Annabelle vom hohen Ross zu holen. Sie wirkte tatsächlich ein wenig kleinlaut, als sie ihn aus ihren goldfarbenen Augen
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