Storm: Thriller (German Edition)
mit ins Badezimmer.
»Wie kommst du darauf, dass ich in Washington bin?«, fragte Kyle zurück. »Du weißt doch, ich habe meine Augen und Ohren überall. Ich muss nicht unbedingt da sein, um da zu sein.«
»Das stimmt.« Ich bemühte mich, so ruhig wie nur möglich zu klingen. »Aber ich bin eines deiner Lieblingsobjekte.«
Er lachte leise. »Ich würde ja gerne sagen, dass du dich zu wichtig nimmst, aber das kann ich nicht. Also, dann erzähl mir doch mal was über deine Familie. Wie geht es Nana Mama? Und den Kindern?«
Das waren keine Fragen. Es waren Drohungen, und das war uns beiden klar. Familien waren genau Kyles Ding, vielleicht, weil seine eigene so völlig verkorkst gewesen war. Er hatte ja sowohl seinen Vater als auch seine Mutter umgebracht, bei unterschiedlichen Gelegenheiten. Nur unter Aufbietung aller Kräfte gelang es mir, den Köder nicht zu schlucken und mich am Riemen zu reißen.
»Kyle, warum rufst du an? Du tust doch nie etwas ohne Grund.«
»Ich habe Damon gar nicht gesehen«, erwiderte er. »Er ist wohl immer noch oben an der Cushing Academy, stimmt’s? Genau westlich von Worcester, oder? Aber Ali! Also wirklich, genau so stellt man sich doch einen heranwachsenden Jungen vor.«
Ich krallte mich an die Matratzenkante. Meine Kinder in Kyles Gedankenwelt, das war fast nicht zu ertragen.
Aber wenn ich eines sicher wusste, dann war es, dass man mit sinnlosen Drohungen und Warnungen nur noch zusätzliches Öl ins Feuer goss. Kyle hatte sich schon immer in einer wahnsinnigen Konkurrenz zu mir befunden, und das im wortwörtlichen Sinn. Bereits beim ersten Mal hatten wir ihn wirklich nur mit alleräußerster Anstrengung zur Strecke bringen können.
Wie zum Teufel sollte ich das noch einmal schaffen?
»Kyle«, sagte ich so ruhig, wie ich nur konnte, »ich bin nicht bereit, mit dir zu reden, ohne zu wissen, worauf das Ganze hinauslaufen soll. Wenn du mir also etwas zu sagen hast …«
»Asche zu Asche und Staub zu Staub«, erwiderte er. »Das ist doch kein Geheimnis, Alex.«
»Was soll das denn bedeuten?«
»Du wolltest doch wissen, worauf das Ganze hinausläuft. Asche zu Asche und Staub zu Staub – letztendlich läuft doch alles darauf hinaus. Natürlich geht es bei einigen schneller als bei anderen, hab ich recht? Bei deiner ersten Frau zum Beispiel, aber die kann ich mir nun wirklich nicht an die Fahnen heften.«
Und dann hatte er erreicht, was er wollte. Ich verlor die Beherrschung, tickte aus.
»Jetzt hör mir mal gut zu, du dreckiges Stück Scheiße. Wage es ja nicht, in unsere Nähe zu kommen. Ich schwöre bei Gott, wenn du dich auch nur einmal …«
»Wenn ich was ?«, schoss er genauso heftig zurück. »Deiner lächerlichen Familie etwas antue? Dir deine teure Verlobte wegnehme?« In seiner Stimme schwang von einem Moment auf den anderen nur noch reinster Hass. »Wie kannst du es wagen , von irgendwelchen Verlusten zu reden? Davon, was du behalten willst! Wie viele Leben hast du schon ausgelöscht, Alex? Wie viele Familien hast du mit deiner gottverdammten Neun-Millimeter auseinandergerissen? Du weißt doch nicht einmal, was Verlust bedeutet – noch nicht, du verfluchter Heuchler !«
Ich hatte ihn noch nie so außer sich erlebt. Eigentlich nahm Kyle nie ein einziges Schimpfwort in den Mund. Nicht der Kyle, den ich gekannt hatte.
Veränderte er sich in gewisser Weise? Oder war auch das nur eine seiner sorgfältig einstudierten Rollen?
»Willst du wissen, was der eigentliche Unterschied zwischen dir und mir ist, Alex?«, fuhr er fort.
»Den kenne ich schon«, erwiderte ich. »Ich bin noch zurechnungsfähig, aber du nicht mehr.«
»Der Unterschied besteht darin, dass ich immer noch am Leben bin, weil ihr es nicht geschafft habt, mich zu erledigen, aber du bist noch am Leben, weil ich deinen Tod noch nicht beschlossen habe. Bitte, bitte sag, dass dir diese offensichtliche Tatsache nicht entgangen ist.«
»Ich werde dich nicht töten, Kyle.« Die Worte quollen jetzt einfach aus mir heraus. »Ich werde dafür sorgen, dass du verrottest, ganz langsam, in einer Zelle in Colorado, da, wo du herkommst. Du gehst wieder dahin zurück.«
»Ach, dabei fällt mir ein«, sagte er … und legte auf. Das war typisch Kyle, seine Art und Weise, mir zu sagen, dass er die ganze Sache angefangen hatte und dass er sie auch zu Ende bringen würde, und zwar so, wie er wollte. Er brauchte immer die totale Kontrolle, brauchte sie wie die Luft zum Atmen.
Plötzlich stand Bree neben mir, schlang
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