Stormwalker: Durch das Feuer (German Edition)
hörte mir mit seiner üblichen stoischen Miene zu. Er kannte mich seit der Highschool, als er, ein gut aussehender Navajo, ein paar Jahre älter als ich, mir geholfen hatte, mit meiner Gewittermagie umgehen zu lernen. Damals war er ein kleiner Schamane gewesen; heute war er ein Gestaltwandler. Jamison war in erster Linie der Grund dafür gewesen, dass ich nach Magellan gezogen war, und er fühlte sich für mich verantwortlich.
»Nichts von alldem ist der Grund, warum ich wütend auf dich bin«, erklärte Jamison.
»Dann sag’s mir einfach! Für kryptische Botschaften bin ich nicht in der richtigen Stimmung.«
Jamison faltete die starken Hände, die so göttlich bildhauern konnten und mit denen er Naomi zärtlich berührte. »Du kämpfst gegen etwas, und du kämpfst allein. Ich dachte, wir sind Freunde.«
»Wenn du die Magie der Unteren Welt meinst, die ist verdammt mächtig, Jamison. Ich will dich da nicht in der Nähe haben. Außerdem glaube ich nicht, dass ich sie jetzt kontrollieren kann.«
»Ich erinnere mich an ein fünfzehnjähriges Mädchen, dem seine Gewittermagie schwer zu schaffen machte. Das solche Angst hatte, dass es sich nicht in die Schule traute, und von zu Hause weggelaufen ist, damit seine Großmutter es nicht hinschicken konnte. Es saß auf einem Felsvorsprung mit Blick auf Spider Rock und weinte, weil es nicht aufhören konnte, Blitze vom Himmel zu schicken.«
Ich erinnerte mich. Es war ein gewaltiger Sturm gewesen. Elektrische Spannung war mir über den ganzen Körper gekrochen und stoßweise aus mir herausgeströmt. Weil ich schreckliche Angst hatte, dass ich unser Haus und die Schule niederbrennen würde und alle Leute in der Nähe umkommen würden, hatte ich den Geländewagen meines Vaters gestohlen und war zum Canyon de Chelly runtergefahren. Dort hoffte ich, den Blitz in den Abgrund lenken zu können. Bei diesem Gewitter würden dort keine Leute sein, und niemand würde durch mich zu Schaden kommen.
Dann war Jamison aufgetaucht, der junge Schamane, der in den Canyon gekommen war, um mit der Natur Zwiesprache zu halten. Die Götter hatten an diesem Tag wirklich gut auf mich aufgepasst. Dank Jamison hatte ich endlich angefangen zu glauben, dass ich tatsächlich so etwas wie ein normales Leben führen konnte.
»Damals hab ich dir geholfen«, sagte Jamison. »Ich kann dir auch jetzt helfen.«
»Das ist was anderes. Gewittermagie ist Erdmagie; sie ist gutartig, sogar wenn sie tödlich ist. Untere-Welt-Magie ist überhaupt nicht so. Sie ist wie ein lebendiges Wesen. Sie will zerstören und mich dazu benutzen. Ich höre in meinem Kopf Stimmen.«
»Die deiner Mutter?«
»Nein. Das ist sie nicht. Das bin ich selbst. Oder ein Teil von mir, von dem ich nie wusste, dass es ihn gibt.«
»Dann erkunden wir, was das ist. Du musst es dir anschauen, Janet. Du kannst nicht davor weglaufen.«
Meine Kopfschmerzen meldeten sich wieder heftig, oder vielleicht war es nur meine Angst. »Damit solltest du besser nichts zu tun haben. Du kannst nicht verstehen, wie das ist.«
Jamison lachte kurz auf. »Ich habe herausgefunden, dass ich ein Gestaltwandler bin, als mein Körper zu dem eines Berglöwen mutierte, einfach so.« Er schnippte mit den Fingern. »Zwei Jahre war ich in einem Käfig in Mexiko eingesperrt, während irgendwelche Verrückten mir beibringen wollten, die Verwandlung und die Kräfte zu kontrollieren. Diese Tortur hat mir meine Arroganz ausgetrieben. Ich glaube auch, dass deine Kräfte gefährlich sind, und genau das ist der Grund, warum du herausfinden musst, was das ist und wie du es in den Griff bekommst.«
Ich ballte auf dem Tisch die Hände zu Fäusten. Mein Vater sah mich von dem Foto herab an, er schien Jamison zuzustimmen. »Ich hasse es, wenn du logisch argumentierst«, brummte ich.
Er grinste. »Hol etwas Salbei! Fangen wir an.«
Wir gingen hinauf aufs Dach, unter den dämmrigen Himmel. Im Osten von Magellan bildete das Gleisbett eine schnurgerade Grenze zwischen der Stadt und der Wüste. Dahinter erstreckte sich das Land bis zum Horizont. Der Boden wirkte flach, war aber von Dutzenden von Trockentälern und Arroyos durchschnitten und der breiten Felsspalte, in der der Chevelon Creek floss. Chevelon war ein geheimnisvoller, mystischer Ort, an dem Urvölker Felszeichnungen an den Wänden hinterlassen hatten, die seltsame Wesen darstellten. Bei trockenem Wetter ging ich gern da unten spazieren, sah mir die Zeichnungen an und versuchte herauszufinden, was sie wohl bedeuteten.
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