Stout, Maria
gesellschaftlichen
Bindungen entwickelt. Durch seine Veröffentlichungen zum Über-Ich vermittelte
Freud der erwachenden Welt der Wissenschaft, dass uns der übliche Respekt vor
Gesetz und Ordnung nicht nur von außen auferlegt wird. Wir befolgen die Regeln
und ehren die Tugenden vornehmlich aus einem inneren, in der frühen Kindheit
entstehenden Bedürfnis heraus, unsere Familien und die menschliche
Gesellschaft, in der wir leben, zu bewahren und in sie eingebettet zu sein.
Gewissen und Über-Ich
Was immer
man davon halten mag, das Über-Ich als intrapsychischen Intriganten oder, um
mit Freud zu sprechen, als "Erbe des Ödipuskomplexes" anzusehen, so
muss man doch das Konzept des Über-Ichs an sich als ergiebig und nützlich
anerkennen. Das Über-Ich wird von den meisten Menschen bereitwillig als ein
Teil ihrer persönlichen Erfahrungen akzeptiert, als innere Stimme, die sich
durch unsere wichtigen kindlichen Beziehungen entwickelt hat, unsere
Unzulänglichkeiten kritisiert und unsere Fehltritte tadelt. "Mach das
nicht." "So darfst du nicht denken." "Pass auf, du wirst
dir wehtun." "Sei lieb zu deiner Schwester." "Räum das
Chaos auf, das du angerichtet hast." "Du kannst es dir nicht leisten,
das zu kaufen." "Na, das war aber nicht besonders schlau, oder?"
"Du musst dich darum kümmern." "Hör auf, deine Zeit zu
vertrödeln." Jeden Tag unseres Lebens jammert ständig das Über-Ich in
unserem Kopf. Und bei einigen Menschen kann das Über-Ich ziemlich beleidigend
werden.
Und doch
ist das Über-Ich nicht das Gewissen. Es mag sich subjektiv wie das Gewissen
anfühlen und ist vielleicht ein kleiner Teil dessen, was das Gewissen ausmacht,
aber das Über-Ich allein ist kein Gewissen, da Freud, als er das Konzept des
Über-Ichs entwickelte, sozusagen das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat.
Indem er die absolute Moral aus dem psychologischen Denken verbannte, schloss
er auch etwas anderes aus. Mit leichter Hand verstieß er die Liebe und alle
Gefühle, die der Liebe nahe stehen. Wenn er auch oft gesagt hat, dass Kinder
ihre Eltern nicht nur fürchten, sondern auch lieben, basierte das von ihm
beschriebene Über-Ich gänzlich auf Furcht. Aus seiner Sicht fürchten wir als
Kinder die tadelnde Stimme des Über-Ichs ebenso wie die strengen
Zurechtweisungen unserer Eltern. Und Furcht ist alles. Im Freudschen Über-Ich
ist kein Platz für die gewissensbildenden Einflüsse von Liebe, Mitgefühl,
Zärtlichkeit oder jeglichem anderen positiven Gefühl.
Und das
Gewissen ist, wie wir bei Joe und Reebok gesehen haben, ein intervenierendes
Gefühl der Verpflichtung, das auf unseren emotionalen Bindungen zu anderen
basiert - allen Aspekten unserer emotionalen Bindungen - und insbesondere
Liebe, Mitgefühl und Zärtlichkeit umfasst. In der Tat basiert der siebte Sinn -
bei denen, die ihn haben - vor allem auf Liebe und Mitgefühl. Wir sind über die
Jahrhunderte vom Glauben an eine gottgegebene synderesis über die Vorstellung eines autoritären, strafenden Über-Ichs zu der
Einsicht gelangt, dass das Gewissen tief und bewegend in unserer Fähigkeit
verankert ist, Mitgefühl füreinander zu empfinden. Dieser zweite Schritt - von
einem Richter im Kopf zu einem Mandat des Herzens - bedeutet eine weniger
zynische Sicht des menschlichen Wesens, mehr Hoffnung für uns als Gemeinschaft,
aber auch mehr persönliche Verantwortung und - manchmal - mehr individuellen
Schmerz.
Zur
Veranschaulichung stellen Sie sich vor, dass Sie eines Nachts unter undenkbar
absurden Umständen vorübergehend den Verstand verlieren, sich zum Haus einer
besonders liebenswerten Nachbarin schleichen und ohne besonderen Grund ihre
Katze umbringen. Kurz vor Tagesanbruch kommen Sie wieder zur Vernunft und
begreifen, was Sie getan haben. Wie fühlen Sie sich? Wie genau reagieren Sie in
Ihrem Schuldbewusstsein? Verdeckt durch die Wohnzimmergardine beobachten Sie
Ihre Nachbarin, wie sie aus dem Haus kommt und die Katze entdeckt. Sie fällt
auf die Knie, sie nimmt ihren leblosen Liebling auf und hält ihn im Arm. Sie
weint unaufhörlich.
Was ist
Ihre erste Reaktion? Donnert eine Stimme in Ihrem Kopf: "Du sollst nicht
töten! Dafür wirst du ins Gefängnis kommen!" - und mahnt sie so an die
Konsequenzen, mit denen Sie rechnen müssen? Oder fühlen Sie sich stattdessen
plötzlich hundeelend, weil Sie ein Tier umgebracht haben und Ihre Nachbarin
sich die Augen ausweint? Welche dieser Reaktionen wird sich wohl im ersten
Moment, als Sie Ihre Nachbarin beobachten, bei
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