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Strandglut 27 Short(s) Stories

Strandglut 27 Short(s) Stories

Titel: Strandglut 27 Short(s) Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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am End noch ins Fernsehn?“
    „Wenn Sie wollen“, lächelte der Mann mit Pferdeschwanz und die Sache war abgemacht.
    Immer mehr Menschen kamen, ein Geländewagen quälte sich das steile Bergmassiv hoch und die Alm verwandelte sich innerhalb von Stunden in das größte Chaos, das Everl jemals gesehen hatte. Überall lagen Kabel, sie zertrampelten ihre geliebten Kräuter. „Drei Tage werden wir brauchen“, sagte der Mann mit dem Pferdeschwanz, er hatte sich als Dieter vorgestellt, der Regisseur. Man hatte ihre Schlafkammer umfunktioniert zur Garderobe, überall lagen Puderquasten und Bürsten herum, und jeder schien hier irgendwie wichtig zu sein. Die Bergtouristen flohen angesichts des Durcheinanders nach einem Kräutertee schnell Richtung nächste Hütte, aber Everl hatte sowieso alle Hände voll zu tun. Immer wieder ließen die Filmfritzen sie die Kühe zusammentreiben und filmten Everl dabei. Ganz schön anstrengend, aber aufregend war es doch.
    Als bei Sonnenuntergang der Adam kam, hätte ihn fast der Schlag getroffen. Everls Berghütte hatte sich in ein Schlachtfeld verwandelt.
    „Das ist so beim Film“, wusste Everl zu berichten. Der Adam wiegte den Kopf, strich durch seinen Bart, der ihm bis zum Bauchnabel reichte und fragte, ob sie denn dafür auch einen Preis ausgemacht hätte. „Tausend Euro“, sagte Everl stolz und zeigte ihm die zwei neuen Scheine, die sie unter ihrer Matratze versteckt hatte.
    Nach drei Tagen war der Spuk vorbei. Der Herbst ging ins Land und mit den ersten kalten Nächten schwanden die Touristen. Je später es im Jahr wurde, desto höher musste Everl ihre Kühe treiben, da die Wiesen in der Nähe der Hütte abgrast waren. Die ersten Oktobertage waren immer besonders arbeitsreich. Der Stall musste gesäubert werden, die Wäsche gewaschen und die bunten Bergblumen gepflückt und zu Kränzen für ihre Viecherl gebunden werden.
    Sie hörte die Glocken der Kühe von Adam schon von weitem. Also trieb auch das Everl ihre schön geschmückten Kühe zusammen, prüfte nochmals, ob die Hütte gut verschlossen sei und machte sich dann an den beschwerlichen Almabtrieb. Sie freute sich schon auf die Ankunft im Dorf, wo der Almabtrieb jedes Jahr aufs neu mit einem zünftigen Fest gefeiert wurde. Schon von weitem sah sie sie warten. Das ganze Dorf war gekommen, um Eva und Adam und ihre Bergkühe zu begrüßen. Everl lächelte und rief: „Grüß Gott“. Aber niemand antwortete. Die Dorfbewohner starrten sie an, als hätten sie einen Geist gesehen. Und wo war die Wastlhuber-Familie?
    „Hallo, Grüß Gott, was ist denn los mit Euch?“ rief sie den Dorfbewohnern zu. Aber sie schauten Everl nicht an, sondern blickten empor zu dem steilen Bergweg, auf dem soeben Adam mit seinem Fleckvieh erschien. Everl verstand die Welt nicht mehr. Traurig trieb sie ihre Kühe zum Wastlhuber-Hof, wo niemand auf sie zu warten schien. Sie brachte ihre Kühe in den vorbereiteten Stall und rief nach Mutter und Vater, nach ihren Geschwistern.
    Da öffnete sich die Tür vom Wohnhaus und Vater Wastlhuber stand mit drohendem Blick im Türrahmen. „Kimm her“, befahl er seiner Tochter. Everl lief auf ihn zu. Und dann setzte es eine Watschn, die sich gewaschen hatte. „Du Hure, eine gottverlassene Hure bist Du. Das ist nicht meine Tochter“, schrie der Wastlhuber. Everl hielt sich die brennende Wange und schaute ihren Vater fassungslos an.
    „Was ist denn los?“, fragte sie mühsam mit den Tränen kämpfend. „Was los ist, Du verdammtest Frauenzimmer? 17 Jahre alt und durch und durch verdorben. Geh, pack’ Deine Sachen, Schande hast Du über die Familie gebracht, Schande.“ Everl lief laut heulend in den Stall.
    Da trat ihre Mutter in den Stall. „Everl, wie konntest Du nur“, sagte sie zu ihrer Tochter.
    „Ja was denn Mama“, schrie Everl. „Du hast uns im ganzen Dorf blamiert. Unser Everl und eine Hauptrolle im Pornofilm“, sagte die Mutter. Da verstand Everl. Sie nahm die Beine in die Hand und wäre fast auf einem großen Kuhfladen ausgerutscht. Sie rannte durchs Dorf, hin zu Adam.
    „Komm Madel, wir fahren nach München, das solln die uns büßen“, tröstete sie Adam.
    Sie nahmen den nächsten Zug. Everl kannte zwar nicht die Adresse der Filmproduktion, aber sie hatte ja noch die 1.000 Euro und die Quittung in der Tasche, auf der der Name der Filmfirma stand. In einer Telefonzelle suchten sie die richtige Adresse und das war der Anfang der Karriere von „Adam & Eve“.

    Fünf Jahre später: Die Luft

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