Straße der Diebe
patrouillieren, die häufig ihre Wannen am Ausgang unseres Diebespalasts parken: Weit davon entfernt, die Gegend sicherer erscheinen zu lassen, vermitteln sie vielmehr den Eindruck, dass dieses Stadtgebiet unter Aufsicht steht, dass hier eine echte Gefahr lauert, besonders da die Patrouillen stark besetzt, bis auf die Zähne bewaffnet und mit kugelsicheren Westen unterwegs sind.
Die Nutten betrieben ihr Gewerbe zwar auch tagsüber, aber eher auf Sparflamme; nachts verloren sich in der schönen Jahreszeit stockbesoffene ausländische Touristen in unser Gässchen und ließen sich manchmal von einer hübschen Negerin verführen, die sie in einem Hauseingang, unter freiem Himmel, von hinten nahmen: Häufig habe ich spät in der Nacht den Widerschein rammelnder weißer Arschbacken in der Dunkelheit der Hauswinkel aufblitzen sehen.
Unser Haus stand am Anfang der Carrer Robadors, in ihrem schmalen Teil, nahe der Carrer de l’Hospital; es war ein typisches Gebäude dieses Viertels, alt und abgewrackt; eines der Häuser, die allen Anstrengungen der Hausbesitzer und der Stadtverwaltung zum Trotz jeder Renovierung zu widerstehen schienen: Von den Treppenstufen war die Hälfte der Fliesen abgesprungen, die Holzgeländer bogen sich durch, von den Wänden sprang der Putz großflächig ab, dessen Bruchstücke sich auf den Treppenabsätzen häuften; die elektrischen Leitungen hingen von der Decke herab, die alten Keramikfunzeln hatten seit endloser Zeit nicht mehr das Hinterteil einer Birne gesehen, und sofern die rostigen, verbeulten Briefkästen noch Türen hatten, klafften diese auf, waren verzogen oder standen sperrangelweit offen. Das Treppenhaus war von Kakerlaken und Ratten bevölkert, und nicht selten traf man, wenn man mitten in der Nacht hinaufstieg, ein fettes schwarzes Nagetier an, das an der Nadel einer weggeworfenen Spritze hing, um den kleinen Tropfen Blut zu saugen – das Tier floh durch das Loch einer Wand in eine Wohnung, und es schauderte einen immer bei dem Gedanken, dass sich dasselbe auf der eigenen Etage abspielen könnte.
Die Drogensüchtigen kamen von der Sozialstation, die etwas weiter unten an der Straße für sie eingerichtet worden war, und sie suchten einen Ort, um sich zu spritzen; viele verkauften in den angrenzenden Straßen das Methadon, das die Stadtverwaltung für sie bereitstellte. Sie gingen in die Häuser, deren Türen nicht richtig schlossen, stiegen die Treppen so weit hinauf, wie es ihre gesundheitliche Verfassung zuließ, manchmal bis zur Dachterrasse, wo sie nicht Gefahr liefen, von einem Hausbewohner mit Fußtritten oder einem Besenstiel verjagt zu werden. Sie konnten einem leidtun. Die meisten waren Wracks von unglaublicher Magerkeit; an den Armen hatten sie Abszesse, im Gesicht Pickel; viele redeten mit sich selbst, fluchten, schimpften, traten Bierdosen ein, die sie eine nach der anderen leerten, wobei sie auf Besseres warteten; manchmal sah man sie schwankend, still, mit entrücktem Blick aus irgendeinem Gebäude kommen, und es war klar, dass sie sich gerade auf die Schnelle, zwischen Schaben hockend, ihren Schuss Glück gespritzt hatten. Wenn sie bei Kasse waren, genehmigten sie sich eine Suppe im marokkanischen Restaurant weiter unten an der Straße, wo sie lange sitzen blieben, mit abwesendem Blick auf den Fernsehapparat starrten; die Wirtsleute der Gaststätte waren großzügig, sie duldeten diese zahlenden Gespenster, die nichts klauten außer Kaffeelöffel – nur die Toiletten durften sie nicht benutzen. Die Drogenabhängigen hatten sogar einen kleinen Park für sich, einen grünen Schlupfwinkel, den ihnen niemand streitig machte, nicht einmal die Stadtverwaltung: etwas weiter im Süden, dicht am Hafen, an der Befestigungsmauer des gotischen Arsenals. Hinter einer Aufschüttung, die einen alten Graben schützen sollte, befand sich zwei Meter weiter unten ein Stück Wiese, das man von der Straße aus nicht einsehen konnte – die städtischen Müllarbeiter stiegen selten dort hinunter, und selbst die Polizei, die von dem Prinzip ausging, dass alles, was nicht zu sehen ist, auch niemanden stören kann, es folglich auch nicht existiert, rückte den Junkies dort nur selten zu Leibe. Es waren Frauen und Männer, auch wenn es bisweilen schwer war zu erkennen, zu welchem Geschlecht sie gehörten; sie lebten unter sich, sie stritten unter sich, starben unter sich, und wenn sie auch nicht die elegantesten und saubersten Bewohner des Viertels waren, so zählten sie doch mit den
Weitere Kostenlose Bücher