Straße in die Hölle
Brustkasten quoll ein dumpfer, klagender Ton.
»Hau ab!« hörte er Aljas sich überschlagende Stimme. »Du hast doch gehabt, was du wolltest, du Scheißkerl.«
Eine ganze Zeit blieb Alegre an der Barackenwand stehen, die Stirn an die Wand gelehnt und die Augen geschlossen. Ihm schien es, als habe sich das Rad der Zeit zurückgedreht. Seine erste Frau, der Mann, dem er den Schädel zertrümmerte, die Gerichtsverhandlung, das Zuchthaus … das alles war noch nicht gewesen. Noch stand er da und sagte sich: Du mußt es tun! Verdammt noch mal, Paulo, du mußt es tun! Es gibt keinen andern Ausweg. Er hat deine Frau unter sich gehabt, du bist auch geschändet worden, nicht sie allein, nein, auch du, denn deine Frau, das bist du, sie ist dein Eigentum, dein Leben, deine Liebe, dein Herz. Du mußt es tun …
Er stieß sich von der Holzwand ab, drehte sich herum und ging langsam hinüber zur Bauleitung. Die Tür war nicht abgeschlossen. Man konnte das Haus betreten, und niemand hinderte einen daran, den Flur entlangzugehen und die Schilder an den vielen Türen zu lesen.
Luis Jesus Areras. Hier war es. Luis Jesus Areras. Ein Pappschild, bemalt mit einem dicken grünen Filzstift. Eine Tür, und dahinter lag der Mann, der über seine Alja hergefallen war. Alja … Alja … Alja …
Paulo Alegre drückte auf die Klinke. Auch diese Tür war nicht abgeschlossen. Das ist leichtsinnig, amigo , wenn man eine Alja in sein Bett gezwungen hat. Da sollte man sich hinter dicke Eisengitter verkriechen, oder hinter Stahltüren und dicke Mauern. Aber die Tür offenlassen, das ist lebensgefährlich, Luis Jesus Areras!
Alegre betrat den dunklen Raum. Er hörte das Schnarchen Areras und ging dem Ton nach. Als er vor dem Bett stand, beugte er sich vor, starrte den Schlafenden lange an und spreizte dann seine riesigen Hände. Du schläfst wie eine satte Sau, dachte er, und Alja ist zum Sterben elend.
Mit einem Ruck griff er zu, schlug die Hände um Areras Hals und riß ihn aus dem Kissen hoch. Areras stieß einen gurgelnden Schrei aus, boxte um sich, aber was nützte das gegen einen Riesen wie Alegre? Zappelnd wurde er aus dem Bett gezerrt, prallte mit dem Kopf gegen die Wand und stöhnte dumpf auf. Die Luft blieb ihm weg, seine Augen quollen aus den Höhlen und seine Zunge trat dick aus dem Mund hervor.
Alegre schwieg. Er zerrte den Körper zum Fenster und betrachtete im trüben Morgendämmerlicht den zwischen seinen Händen zuckenden Areras. Auch Luis Jesus erkannte nun, wer ihn da am Hals packte. Er schlug mit letzter Kraft um sich und stieß gurgelnde Laute aus. Alegre lockerte den Griff.
»Du willst noch was sagen?« fragte er mit einer Stimme, die einem Hypnotisierten hätte gehören können.
»Bist du verrückt?« röchelte Areras. »Bei allen Heiligen, laß mich los.«
»Was hast du mit Alja gemacht?« fragte Alegre mit seiner schrecklichen, tonlosen Stimme. »Ich will's noch einmal von dir hören.«
»Nichts habe ich gemacht!« heulte Areras. Ihm war klar, daß er sterben mußte. Er kannte Alegres Strafakte und er wußte, daß er keine Gnade erwarten konnte.
»Du hast um sie gewettet …«
»Aber doch nur im Scherz. Wir waren alle blau, du weißt doch, wie das so geht. Da sagt man alles mögliche. Ich weiß doch, daß du und Alja …«
»Du hast die Wette also gewonnen.«
»Nein!« gurgelte Areras. Der Druck der riesigen Hände verstärkte sich wieder. »Das kannst du mir nicht anhängen.«
»Sie ist völlig fertig. Sie hat es selbst gesagt! Sie kann nicht mehr. Sie ist zum Sterben elend.«
»Ich war es nicht, Paulo. Ich schwöre es. Ich war es nicht. Hör doch zu!« Alegre schüttelte Areras. Der Gewürgte hing in seinen Händen wie eine zerbrochene Puppe. Speichel lief ihm aus dem Mund. Man roch, daß er sich in die Hose gemacht hatte. Alles in ihm war Angst.
»Ich konnte es auch nicht verhindern!« schrie Areras. »Bei der Madonna, glaub es mir doch …«
»Wer?« fragte Alegre mit dumpfer Ruhe.
Areras schwieg und verdrehte die Augen. Alegres Hände wurden zu einem Schraubstock.
»Wer?«
»Du kannst nichts dagegen tun«, röchelte Areras.
»Wer?«
Areras, für einen Augenblick von den würgenden Händen befreit, holte tief Luft. Es pfiff in seiner Lunge, als wäre sie zerrissen.
»Bolo«, stöhnte er. »Paulo, nimm es hin. Wir sind alle nur armselige Scheißer gegen ihn. Er hat Alja gesehen, er hat sie gewollt … wer kann ihm das verwehren? Er hat die Macht, Paulo. In ein paar Tagen ist sie wieder wie
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