Straße in die Hölle
den schaufelartigen Pranken, mit einem einzigen Schlag dieser Arme, die nur aus Muskelsträngen bestanden. Gegenwehr war sinnlos. Da Gebbhardt nie eine Pistole bei sich trug, konnte er nur warten, wie sich Alegre entschied.
»Schenken Sie mir noch eine Woche, Senhor Carlos«, bat Alegre. »Dann stelle ich mich freiwillig der Polizei.«
»Und was passiert in dieser Woche? Paulo, ich kenne dich zu gut! Areras war erst der Anfang. Du hast ihn wegen Alja erschlagen, du Idiot. Ich brauche keine weiteren Erklärungen von dir! Wer steht noch auf deiner Liste? Willst du jeden umbringen, der Alja in den Hintern kneift? Sie arbeitet nun mal in der Kantine, und dort sitzen Männer und keine Heiligen. Wenn du's nicht ertragen kannst, hol sie weg und steck sie als Küchenhilfe in ein Nonnenkloster.«
»Zu spät«, erwiderte Alegre und blickte in den Urwald. Die Morgensonne brach wie gesponnenes Gold durch das domhohe Blätterdach.
»Das stimmt.« Gebbhardts Stimme klang rauh. »Es ist zu spät, Paulo. Es war dein Pech, daß ich dich gesucht habe und wir uns hier begegnet sind. Zwei Stunden früher, und du wärest wieder auf dem Außenlager gewesen. Areras Tod wäre ein Rätsel geblieben.«
»Nehmen wir an, ich sei schon im Lager.« Alegres Augen hatten einen hündischen Ausdruck angenommen. Sie bettelten. Gebbhardt wandte sich ab und schüttelte den Kopf.
»Bei Mord lasse ich nicht mit mir handeln, Paulo. Los, fahr mir nach.«
Er ging langsam zu seinem Wagen. Jetzt kann er mich töten, dachte er. Ich drehe ihm den Rücken zu. Das Gefühl, das bei diesem Gedanken in ihm aufstieg, war ihm völlig unbekannt. Keine Angst, kein Verlangen davonzulaufen, sondern nur eine gespannte Erwartung, etwa wie bei einem Pokerspiel, bevor man die Karten auf den Tisch legt.
Gebbhardt blieb bei seinem Wagen stehen und drehte sich um. Im gleichen Augenblick drehte Alegre den Anlasser des Jeeps. Er fuhr an Gebbhardt vorbei und sah ihn nicht an.
»Na also«, sagte Gebbhardt. Er hatte eigentlich von Alegre nichts anderes erwartet.
8
Im Lager fuhr Gebbhardt sofort zu Bandeira . Der Polizeihauptmann saß auf einem Klappstuhl vor dem Lazarettzelt und tippte auf einer Reiseschreibmaschine einen Bericht. Dr. Santaluz und Norina hatten die Feierschicht fast durchweg untersucht. Im Behandlungszelt drängten sich die Arbeiter, die bereits in der Voruntersuchung aussortiert worden waren.
»Wird Piraporte eine Freude haben, wenn er zurückkommt«, sagte Bandeira schadenfroh. »Die halbe Schicht hat Santaluz krank geschrieben. Er behauptet, auch Brasilien könne es sich nicht leisten, mit menschlichen Wracks Geld zu verdienen. Wird das eine Aufregung in Ceres und Brasilia geben! Auch Sie müssen umdisponieren, Senhor Carlos. Sie haben nämlich nur noch knapp sechzig Prozent Ihrer Belegschaft einsatzbereit.«
»Es wird Aufregung genug geben, Hauptmann.« Gebbhardt blickte über den weiten Platz. Alegre hatte den Jeep in die Reihe der abgestellten Fahrzeuge zurückgefahren. Jetzt war er in einen erregten Disput mit dem Fuhrparkleiter verwickelt, der von ihm die Erstattung der Benzinkosten forderte. »Ich habe Paulo auf halbem Wege aufgegabelt. Er kam vom Zentrallager. Er hat dort Areras umgebracht.«
Bandeira schien von dieser Mitteilung nicht überrascht zu sein. Er nickte und schob die Schreibmaschine von sich weg.
»Das weiß ich«, sagte er.
»Das wissen Sie?«
»Bereits als Sie abzischten, um den verlorenen Sohn Alegre zu suchen.«
»Und Sie haben mir nichts gesagt? Ich habe Sie doch gefragt …«
»Sie haben gefragt, ob ich etwas Besonderes an Meldungen hereinbekommen hätte. Ich habe das verneint. Das entspricht der Wahrheit.«
Bandeira faßte in die obere Rocktasche, holte zwei lange Zigarillos hervor und bot Gebbhardt eine davon an. Sprachlos, geradezu überwältigt von dem, was er gerade gehört hatte, griff Gebbhardt nach dem schwarzen Stengel und zerbröckelte ihn zwischen seinen Fingern. Bandeira grinste schief.
»Es war Mord«, sagte Gebbhardt tonlos. »Hauptmann, ein Mord!«
»Sie hängen zu sehr an einem Wort, Senhor Carlos.«
»Was ist es denn sonst, wenn man einem Mann den Schädel an der Wand zertrümmert?«
»Schlimmstenfalls ein Unglücksfall. Aber auch das war es nicht. Ich habe meinen Leuten im Zentrallager gesagt, sie sollen den Fall Areras als unlösbar nach Brasilia melden.«
»Bandeira …«, sagte Gebbhardt gedehnt.
»Nun hören Sie mal zu, Sie deutscher Wahrheitsengel. Ich habe Ihnen deutlich genug erklärt, in
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