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Straße in die Hölle

Straße in die Hölle

Titel: Straße in die Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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umklammerte mit beiden Händen das Fernglas.
    »Ihn und Piraporte. Sie haben sich gegenseitig umgebracht.«
    »Worauf warten Sie noch?« Gebbhardt packte Santaluz an beiden Schultern. »Das ist Ihre Chance, Doktor. Verhandeln Sie mit dem Militär. Es ist zwar schäbig, aber jetzt haben Sie die Möglichkeit, alles auf Bandeira abzuschieben. Und wenn Ihnen Ihr Leben selbst nichts wert ist, dann denken Sie an die anderen. An die Frauen hier, an die Väter … an … an Norina.«
    Santaluz atmete auf. Alegre war zurückgeklettert und brüllte über das Megaphon das Revolutionslied mit. Es war wie ein Rausch, der über die Menschen gekommen war, wie ein alles betäubender Wahnsinn, der jede Vernunft niederwalzte. Sie lagen, hockten, standen in der vierfachen Sperre, hingen an den Baumaschinen, Kränen und Räumern, schwenkten Fahnen, vom Körper gerissene Hemden oder irgendwelche Fetzen. Sie sangen und grölten, und ihre Gesichter waren verzerrt vom übermächtigen Triumph.
    Santaluz deutete mit beiden Armen auf die Menge. »Können Sie das noch aufhalten, Carlos?« fragte er. »Überzeugen hier noch Worte? Der Vulkan ist ausgebrochen. Er muß sich austoben, bis er von selbst zusammenbricht.«
    »Und die Toten, die es geben wird?« schrie Gebbhardt zurück.
    Der Arzt hob die Achseln. »Sie sind in einer Stimmung, in der es keine Todesangst mehr gibt. Man kann auch aus Begeisterung sterben. Das werden die Europäer nie begreifen.«
    Über die Straße näherte sich ein Jeep den Barrikaden. An einer Holzstange flatterte ein weißes Tuch. Ein Offizier und ein Fahrer saßen im Wagen und hatten um ihre Helme ebenfalls weiße Binden gebunden.
    »Laßt sie nur rankommen!« brüllte Alegre durch sein Megaphon. »Nicht schießen! Hört euch an, was die Scheißkerle zu sagen haben.« Dann schwenkte er das Megaphon zur Straße und schrie zum Jeep hinüber. »Zehn Meter vor uns halten! Wir schicken eine Delegation zu euch. Und keine Tricks, ihr Arschlecker der Regierung.«
    Der Jeep bremste. Aus dem Wagen stieg der Oberst des Bataillons und musterte die gewaltigen Sperren. Sie zu stürmen war absoluter Wahnsinn, selbst nach Artillerievorbereitung. Aber ein ebenso großer Irrsinn war es, sich dahinter sicher zu fühlen.
    Das Singen und Gegröle ließ nach. Plötzlich war es still. Und mit der Stille kam die Vernunft zurück, und es kam die Erkenntnis, daß jetzt die Stunden oder Tage der Leiden begannen.
    Paulo Alegre stand schon auf der Straße und ging langsam dem Obersten entgegen. Dabei streckte er die Hände vor, um zu zeigen, daß er waffenlos war. Dann standen sie sich gegenüber, sprachen miteinander und trennten sich sehr schnell. Mit wiegenden Schritten kam Alegre zurück.
    »Das war aber kurz«, sagte Gebbhardt ahnungsvoll. »Haben Sie gesehen, der Offizier hat Paulo einen Zettel überreicht.«
    »Ein Ultimatum sicherlich.« Santaluz lächelte bitter. »Ultimative Forderungen sehen nur einen Sieger und einen Besiegten vor. Carlos, es wird die von Ihnen ersehnten Verhandlungen nicht geben.«
    Alegre war zu Santaluz hinübergeklettert und reichte ihm den Zettel. »Es ist ein Oberst«, sagte er dabei. »Ein arrogantes Schwein. Sagt zu mir: ›Hier, gib das deinem Verführer. Mehr habe ich ihm nicht zu bestellen.‹ ›Gut‹, sage ich, ›und ich soll Ihnen bestellen, daß Ihre Jungs vorsichtig sein sollen. Jeder, der über die Barrikade kommt, wird von uns kastriert!‹« Alegre grinste breit. »War's so richtig, doutôr ?«
    »Völlig richtig«, sagte Santaluz müde. Er faltete den Brief auseinander und begann ihn laut vorzulesen: »Mit Rücksicht darauf, daß die Mehrzahl der Aufständischen die wahre Lage nicht überblickt, sind wir im Namen der Regierung bereit, eine Generalamnestie für alle zu erlassen, die sich bis heute abend acht Uhr bei uns einfinden. Unsere Bedingung ist, daß sich folgende Personen mit allen Konsequenzen ergeben: Dorias Bandeira, Dr. Stefano Santaluz, Paulo Alegre, Norina Samasina, Felipe Pavao, Carlo Dulcao, Pedro Almareia.« Dr. Santaluz ließ den Brief sinken. »Es folgen noch siebzehn Namen. Soll ich sie vorlesen? Es besteht kein Zweifel: Die Liste stammt von Piraporte.«
    »Sie sollen zwei haben!« knirschte Alegre. Er riß Santaluz den Brief aus der Hand und zerfetzte ihn. Gebbhardt starrte Norina an. Ihr herrliches Gesicht war hart und völlig gelassen. Sie stand auf der Liste der Personen, die sich bedingungslos ergeben sollten. Bedingungslos … was das hieß, brauchte nicht erklärt zu

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