Straße in die Hölle
neben Norinas Pfahl anzubinden. Sie sollen Ihr perverses Glück haben, neben ihr zu sterben.«
Er gab dem Pfahl noch einen Tritt, wandte sich ab und zog sich ins Gebäude zurück. Die Tür fiel zu. Nur Pater de Sete blieb draußen und ging jetzt auf Gebbhardt zu.
»Das ist der falsche Weg, Carlos«, sagte er ruhig.
»Dann zeigen Sie mir den richtigen«, schrie Gebbhardt. »Mit Beten können Sie nicht die Kugeln ablenken.«
»Ich kann es.« Pater de Sete beugte sich vor. »Heute nacht um ein Uhr wird ein Jeep gegenüber der Kaserne hinter der Apotheke warten.«
»Sehr schön.« Gebbhardt lachte irr. »Und ich sage zu den Wachen: Schließt auf, ich will wegfahren.«
»Richtig.«
Gebbhardt starrte den Pater an. Seine Augen begannen zu flimmern, seine Umgebung löste sich in Zerrbilder auf. »Es ist hundsgemein, dies alles jetzt lächerlich zu machen«, sagte er heiser. »Sie als Priester …«
»Es ist mit dem Oberst abgesprochen. Sie können heute nacht ungehindert die Kaserne verlassen. Die Wache um ein Uhr ist verständigt und läßt Sie durch.«
»Natürlich. Ich allein. Und Norina?«
»Norina wartet dann bereits im Jeep auf Sie.«
»Das … das ist doch unmöglich. Wieso denn? Wie kommt sie denn heraus? Sie sitzt doch in der Todeszelle. Pater, Sie wollen mich mit diesem Trick nur weglocken. Wenn ich einmal draußen bin, komme ich nicht wieder hinein. Und um sechs Uhr krachen die Schüsse. Das ist ein ganz gemeiner Trick.«
»Ich verspreche Ihnen, daß –«
»Wie kommt Norina aus der Todeszelle?«
»Ich schwöre es Ihnen.« Pater de Sete rüttelte an dem Erschießungspfahl, an den sich Gebbhardt klammerte. »Glauben Sie dem Schwur eines Priesters nicht mehr?«
»Ich glaube jetzt an gar nichts mehr. Ich glaube nur, was ich sehe. Und ich sehe alles zur Hinrichtung bereit.« Gebbhardt packte den Pater an der Soutane und zog ihn zu sich heran. Sein mit Schweiß und Staub verschmiertes Gesicht war verzerrt. »Auch Sie können Norina nicht unsichtbar machen und hinausschmuggeln. Alles, alles ist eine Lüge. Sie werden es eine fromme Lüge nennen, und damit ist Ihr Seelenheil wiederhergestellt.«
»Carlos, Sie haben wirklich keine Ahnung von den Spielregeln dieser Welt.« Pater de Sete nahm dem Pfahl, schulterte ihn und nickte Gebbhardt zu. »Los, gehen wir zum Richtplatz. Ich werde Ihnen dabei etwas erzählen.«
Sie gingen über den heißen staubigen Platz, der weißen Mauer entgegen, wo die vier anderen Pfähle, und der starre Wächter mit dem geschulterten Gewehr standen.
»Glauben Sie, ich hätte den ganzen Tag nur geschlafen und gefressen?« sagte de Sete und rückte den Pfahl auf seiner Schulter zurecht. »Ich bin auf meinem Motorrad wie ein reitender Bote hin und hergefahren. Ein unglaubliches Ereignis ist nämlich eingetreten: Guerillas haben die neunzehnjährige Tochter des Obersten entführt und sich an mich gewandt, damit ich ihm die Freilassungsbedingungen übermittele. Es ist ein einfacher Tausch: Senhorita Pasquila gegen Senhorita Norina.«
Gebbhardt blieb wie angewurzelt stehen. »Pater …«, stieß er hervor.
»Zum Teufel, gehen Sie weiter!« raunte de Sete ihm zu. »Der Tausch bleibt eine Geheimsache. Nur ein paar Leute wissen davon … nicht einmal der General.«
»Und … und wie hat sich der Oberst entschieden?«
»Pasquila ist seine einzige Tochter, Carlos.«
»Mein Gott, das haben Sie eingefädelt. Pater, leugnen Sie nicht. Sie haben gesagt, daß Sie Santaluz' Werk fortführen werden, wenn alles vorbei ist.«
»Ich habe nichts getan, als den Vermittler gespielt.« Pater de Sete blickte starr geradeaus. Die weiß getünchte Mauer kam viel zu schnell näher. »Wenn Norina morgen früh fehlt, wird es große Aufregung geben, aber das Rätsel ihres Verschwindens wird ungelöst bleiben. Eine offene Zelle, aber verschlossene Flurtüren. Um ein Uhr fahren Sie und Norina mit dem Jeep hinter der Apotheke ab. Um halb zwei wird Pasquila an der Tür des elterlichen Hauses abgeliefert. Um vier Uhr wird Alarm gegeben. Sie haben also drei Stunden Vorsprung. Das ist wenig – aber es muß reichen. Im Wagen finden Sie einen genauen Plan und Adressen. Man wird Sie weiterreichen bis zur Grenze von Uruguay. Dort wartet der letzte Kontaktmann auf Sie und schleust Sie hinüber.«
»Wie kann ich Ihnen jemals danken, Pater«, sagte Gebbhardt leise. Seine Stimme versagte. Sie standen wieder bei den Pfählen, und der Pater drückte den herausgerissenen Pfahl zurück ins Erdloch.
»Treten Sie die Erde
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