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Straße in die Hölle

Straße in die Hölle

Titel: Straße in die Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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jeder hier im Saal. Meine Herren, denken Sie darüber nach. Es laut zu sagen, fehlt Ihnen trotz Ihrer Uniformen der Mut. Gott mit Brasilien.«
    Er wandte sich auf dem Absatz um und ging zur Tür. Bei Gebbhardt an der Barriere blieb er plötzlich stehen und reichte ihm die Hand. Niemand hinderte ihn daran. Die Soldaten blickten fragend auf die Offiziere, aber die Offiziere blieben stumm.
    »Nehmen Sie es nicht tragischer als es ist, Carlos«, sagte Santaluz wie befreit. »In Europa betrachtet man das sowieso als südamerikanischen Alltag.«
    Dann ging er weiter und verließ in stolzer Haltung den Saal.
    Dr. Santaluz war der einzige, den man allein vorführte. Um das Pensum der Verurteilungen bis zum Abend zu schaffen, wurden die anderen Angeklagten in Gruppen hereingeführt. Es war eine Fließband-Aburteilung. Man verlas die Namen der Angeklagten, hörte sich an, was jeder Gefragte gleicherweise antwortete: »Es lebe Brasilien und die Freiheit!« Dann wurde der Schuldspruch gefällt. Die Skala war eng bemessen: von fünf bis zwanzig Jahren Zuchthaus. Dazwischen bei den bekannten Rädelsführern die Todesstrafe.
    Sie nahmen es hin wie Dr. Santaluz. Pater de Sete hatte sie darauf vorbereitet. Die Luft im Saal war stickig und drückend … nicht allein wegen der Hitze, die durch die Mauern drang. Es war wohl auch etwas vom geballten Haß zu spüren, den jede Gruppe dieser Menschen hinterließ.
    Sieben Stunden dauerte die Gerichtssitzung schon, mit einer Pause von einer Stunde dazwischen, und noch immer hatte man Norina Samasina nicht vorgeführt. Gebbhardt war übel vor Angst. Er blieb in der Pause allein im Saal zurück. Niemand kümmerte sich um ihn. Die Offiziere verschwanden hinter einer Tür. Schließlich lief er hinaus in die Sonne, stand auf dem weiten Exerzierplatz, der leer war, als befände er sich in einer Geisterstadt. Er lief zurück in die Kantine und hockte sich wieder auf seinen Platz hinter der hölzernen Barriere. Als Pater de Sete eintrat, stürzte er auf ihn zu.
    »Was ist mit Norina?« rief er. »Wo ist sie? Warum hat man sie noch nicht vorgeführt? Ist etwas mit ihr geschehen? Pater, ich flehe Sie an … Pater, sagen Sie die Wahrheit.«
    »Sie wartet noch«, erwiderte Pater de Sete. »Das ist alles.«
    »Wie hält sie das nur aus? Diese Lumpen wollen sie mit den Nerven fertigmachen. Sie lassen sie in ihrer Angst braten. Pater, weint sie noch?«
    Gebbhardt umklammerte de Setes Schultern. Der Priester schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil. Sie ist so ruhig, daß sie Ihnen von ihrer Fassung noch etwas abgeben könnte. Sie ist mir zu ruhig.«
    »Haben Sie mit ihr gesprochen?«
    »Dreimal bis jetzt.«
    »Und was haben Sie gesagt?«
    »Sie soll weinen. Verdammt noch mal, weinen … Aber sie sieht mich nur an und schweigt. Das gefällt mir nicht. Man müßte ihr, bevor sie vorgeführt wird, Zwiebeln in die Augen reiben. Vielleicht wird sie weinen, wenn ich ihren Kopf umfasse und sie segne.« Pater de Sete blickte hinüber zum Richtertisch. Die Mütze des Obersten mit den breiten Silberlitzen schimmerte in der Sonne. »Wenn sie nicht weint, sondern redet …«
    Er ließ den Satz unvollendet, erhob sich und ging aus dem Saal.
    »Sprechen Sie noch mal mit ihr!« rief Gebbhardt ihm nach. »Bitte Pater. Vielleicht, wenn sie mich sieht …«
    Norina kam als letzte in den Saal. Es dunkelte bereits, die Luft war dick wie Brei. Die Wände atmeten die Tageshitze aus.
    Das Ritual der Begrüßung blieb das gleiche. Die gleiche Anklage, die gleiche Frage. Der Oberst betrachtete sie genau und wartete. Sie weint nicht, dachte er. Sie hat einen Blick, der uns alle verdampfen ließe, könnte man diese Energie nutzbar machen. Und sie ist an ihrem Geliebten Gebbhardt vorbeigegangen, ohne den Kopf zu drehen, ohne ihn anzusehen, ohne zu zögern.
    Was für eine Frau!
    Er zuckte zusammen, als Norinas Stimme plötzlich erklang. Laut und klar. Und sie sagte:
    »Ihr Feiglinge. Seid ihr keine Brasilianer mehr, nur weil ihr eine Uniform tragt? Sie, Major Marques! Ihre Eltern waren Tabakbauern und haben sich Ihre Ausbildung abgehungert. Wie haben sie gelebt? Schlimmer als die Schweine des Senhor Bolo. Sie haben sich krumm gearbeitet für ein paar Cruzeiros , aber der Preis für Tabak auf dem Weltmarkt stieg ständig. Haben Ihre Eltern davon profitiert? Wo ist das Geld hängengeblieben? Und Sie, capitão Pireiro ? War Ihr Vater nicht Melker bei Senhor Lompaz? Haben Sie nie gehört, daß er die Madonna anflehte, dem Grande proprietario

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