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Straße in die Hölle

Straße in die Hölle

Titel: Straße in die Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fest«, sagte er rauh. »Los. Tun Sie etwas. Man erwartet eine Art Wiedergutmachung für Ihr Benehmen.«
    Sie stampften die Erde fest, rüttelten am Pfahl, um seine Standfestigkeit zu prüfen, und traten dann zurück. Gebbhardt senkte den Kopf und putzte sich die Handflächen an den Hosen ab.
    »Ich komme mir wie mit Blut beschmiert vor – wie jemand, der beim Morden geholfen hat«, sagte er leise.
    »Es werden immer Menschen für Ideale oder für Blödsinn sterben.« Pater de Sete legte den Arm um Gebbhardts Schulter und zog ihn mit sich. »Hoffen wir, daß unser Kampf gerecht ist. Es ist immer ein wilder Gärungsprozeß, wenn ein Volk ein paar Jahrhunderte in wenigen Jahren nachholen will. Wer will da das richtige Maß bestimmen? Wer hat die Kraft, da zu ordnen? Carlos, davor habe ich selbst Angst. Kein Naturereignis zerstört mehr als ein entfesselter Mensch. Aber das ist unsere Sorge, Carlos. Ihre ist es, mit Norina so schnell wie möglich Uruguay zu erreichen.«
    Sie trennten sich mitten auf dem Platz. Pater de Sete ging zum Stabsgebäude zurück, Gebbhardt zum niedrigen Gefängnistrakt. Die Tür zum Flur, wo sein Zimmer lag, stand offen. Es war der Wohnbereich der Wärter.
    In seinem Zimmer stand das Frühstück auf dem Tisch. Kaffee, frisches, köstlich duftendes Brot, Butter, Honig, geräuchertes Fleisch, Fruchtsaft, ein Ei. Die Ordonnanz, die das alles gebracht hatte, stand am Fenster und grinste. Zum erstenmal sprach der Mann.
    »Allerhand«, sagte er. »Wie Sie das gemacht haben, Senhor. Mit den bloßen Händen den Pfahl aus dem Boden reißen … Hätte ich nicht von Ihnen gedacht.«
    »Ich auch nicht«, sagte Gebbhardt mit matter Stimme.
    Er ließ sich in den Korbstuhl fallen, schloß die Augen und dachte an die kommende Nacht.
    »Ich auch nicht«, wiederholte er leise.

14
    In der Nacht klopfte es dreimal kurz an der Tür.
    Gebbhardt, der schlaflos auf seinem Feldbett lag, seine neunzehnte Zigarette rauchend – Pater de Sete hatte ihm zwei Packungen geschickt – fuhr empor und sah auf die Uhr. Eine Viertelstunde vor eins. Er sprang auf, raffte die wenigen Sachen zusammen, die ihm geblieben waren, und rannte zur Tür. Als er sie aufriß, war der Flur leer. Derjenige, der geklopft hatte, war schnell wieder verschwunden.
    Bis zu dieser Minute hatte Gebbhardt nicht daran geglaubt, daß es für ihn und Norina wirklich ein Weiterleben geben würde … Jetzt schöpfte er neuen Mut. Der lange Gang war nur schwach erleuchtet.
    Gebbhardt trat aus dem Zimmer und blickte sich um. Er war allein. Völlige Stille herrschte. Die Verlassenheit in dieser Nacht, mit der sein neues Leben begann, schien ihm beklemmend. Es kann eine Falle sein, dachte er plötzlich. Ich gehe den Flur hinunter, drücke hinten die Tür ins Freie auf, und draußen stehen sie mit schußbereiten Gewehren. Auf der Flucht erschossen … eine beliebte Vokabel des amtlichen Mordes.
    Langsam ging er den Flur entlang, legte die Hand auf die Türklinke und blickte sich noch einmal um. Stille, ein Halbdunkel, das die Konturen verwischte, Einsamkeit … Türen … Türen, dahinter Menschen, die schliefen – oder die jetzt warteten, bis er diese letzte Tür aufriß und den ersten Schritt hinaus in die Nacht tat.
    Sei einmal ein Held … er sprach sich im stillen Mut zu. Schluck die verdammte Angst runter! Mach die Tür auf … und dann hinaus. Wenn sie dich betrogen haben, behalte den Kopf oben und laß ein Ende werden. Aber es ist schwer, einen Schritt zu tun, der der letzte sein kann. Ob Heldentum letzten Endes nicht doch Verzweiflung ist? Ein Ausbrechen aus der Ausweglosigkeit? Junge, spring über das Feuer, das in dir brennt.
    Er drückte die Klinke und stieß die Tür auf. Die Nachtluft war kühl nach dem heißen Tag und der dumpfen Hitze des Zimmers. Sie war so kühl und frisch, daß sie ihn wie ein Schlag traf. Gleichzeitig besänftigte sie seine brennende Angst. Er trat vors Haus und sah sich um. Vor ihm lag der weite Platz, grauweiß schimmernd im Mondschein, der auch die getünchte Mauer und die fünf Erschießungspfähle in ein milchiges Licht tauchte. Jetzt stand keine Wache mehr davor. Doch neben den Pfählen hatte man eine Art Tribüne gebaut, ein Holzpodium mit einfachen Segeltuchklappstühlen.
    Logenplätze für das Schauspiel des Sterbens.
    Gebbhardt riß sich von diesem schauerlichen Bild los und tat seinen zweiten Schritt. Niemand schoß auf ihn, er war allein, wie Pater de Sete versprochen hatte. Mit schnellen Schritten überquerte

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