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Straße in die Hölle

Straße in die Hölle

Titel: Straße in die Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wirklich gelang es Gebbhardt, den Pfahl aus der Erde zu ziehen. Er drückte ihn an seine Brust und warf ihn über die Schulter. So hatte er an der Straße oft Balken weggetragen. Der wachhabende Soldat rührte sich nicht, aber aus den Augenwinkeln schielte er auf den Verrückten. Irgendwo, vielleicht im Stabsgebäude, trillerte eine Signalpfeife.
    »Schießt!« brüllte Gebbhardt über den weiten Platz. »So schießt doch! Es ist ja eure Aufgabe, zu töten. Tötet mich doch!« Der Schweiß rann ihm übers Gesicht, die Morgensonne glühte bereits, und die Luft war wie heißes Gas. Er umklammerte den Hinrichtungspfahl und ging weiter. Er marschierte auf das Stabsgebäude zu, an dessen Tür jetzt der Oberst erschien, ohne Koppel, aber die Mütze auf dem Kopf. Er hatte gerade beim Frühstück gesessen.
    »Feuer!« brüllte Gebbhardt. »Ich komme euch entgegen und bringe meinen Pfahl gleich mit.«
    Doch nichts geschah. Er marschierte allein durch die glühende Hitze über den staubigen großen Platz, erreichte den Oberst und stellte den Pfahl auf die Erde. Seine Hände zitterten, sein Körper wurde von Erregung geschüttelt. Die Schwäche in seinen Beinen wurde plötzlich so groß, daß er sich an den Pfahl klammern mußte, um nicht zusammenzubrechen. Hinter dem Oberst, im Flur des Gebäudes, sah er durch den Schleier seines Schweißes das asketische Gesicht von Pater de Sete und einige fremde Offiziersköpfe.
    »Ich wollte Sie soweit wie möglich schonen«, sagte der Oberst ruhig. »Jetzt allerdings muß ich Sie mit Nachdruck bitten, den Pfahl wieder an seiner alten Stelle einzurammen.«
    »Es ist Norinas Pfahl!« schrie Gebbhardt.
    »Möglich, wir pflegen keine Schilder dranzuhängen. Was versprechen Sie sich eigentlich von dieser völlig nutzlosen Demonstration, Senhor Carlos?«
    »Es ist nur ein Anfang. Ich will Ihnen sagen, daß ich Norinas Hinrichtung nicht tatenlos zusehen werde. Ich weiß, daß Sie jetzt denken: Ein ausgemachter Idiot.«
    »Allerdings.«
    »Sie irren. Um mich für die Zeit der Exekutionen einzusperren, müssen Sie mich erst haben.« Gebbhardt wurde ruhiger. Er wischte sich den Schweiß vom Gesicht und stellte sich hinter den Hinrichtungspfahl. »Ich werde mich wehren. Ich werde rücksichtslos zuschlagen. Ich garantiere einen Toten. Ich werde Sie zwingen, auf mich zu schießen. Ob Sie mich verwunden oder töten, es wird in jedem Fall eine Staatsaffäre werden. Ich bin ein freier Deutscher. Man wird sich mit dem, was hier geschieht, beschäftigen müssen.«
    Der Oberst zuckte die Achseln. »Pater«, sagte er fast väterlich, »erklären Sie ihm, was Realität ist. Mir wird er's nicht glauben. Senhor Carlos, wir haben Ihre Einmischung in die politischen Wirren und Ihren Verbleib bei uns an Ihre Botschaft gemeldet, weil Sie es wünschten und um allen Verwicklungen aus dem Weg zu gehen. Die Antwort Ihrer Botschaft war klar: Man betrachtet Ihr Tun als absolute Privatsache. Sie wissen, was das bedeutet?«
    »Das ist nicht wahr«, stieß Gebbhardt hervor. »So gleichgültig kann die Welt nicht sein.«
    Der Oberst winkte Pater de Sete. »Bestätigen Sie es, Pater.«
    »Es ist so, Carlos«, sagte de Sete und kam aus der Tür.
    »Man nimmt keine Notiz von Ungerechtigkeiten?«
    »Der Begriff Ungerechtigkeit ist relativ. Er ist überhaupt der relativste von allen politischen Begriffen«, erklärte der Oberst.
    »Gegenwärtig befindet sich sogar eine Delegation der größten Wirtschaftsführer Ihres Landes in Brasilien. Man spricht von Millionen-Investitionen.«
    »Und die Indianermorde?« keuchte Gebbhardt.
    »Ihre Top-Manager sind begeistert von den Möglichkeiten in unserem Land. Ein weit offener Markt. Eine Fülle ungenutzter Rohstoffe. Arbeitskräfte in Massen.«
    »Und die Großgrundbesitzer treiben die Indianerstämme mit Peitschen und Feuer von ihrem Boden.«
    »Deutschland sieht in Brasilien einen unschätzbaren Partner für weitere Expansionen, nachdem Ihr eigenes Land langsam einem sozialistischen Chaos entgegensteuert. Bei uns können Ihre Herren um die Hälfte billiger produzieren.« Der Oberst kam einen Schritt näher und stieß mit dem Fuß gegen den Hinrichtungspfahl. »Und da stehen Sie hier, Sie armes Würstchen, und wollen den Wind umdrehen? Begreifen Sie noch immer nicht, in welcher Welt Sie leben? Los, marschieren Sie zurück, Sie Idiot, und pflanzen Sie den Pfahl wieder ein. Und wenn sie unbedingt erschossen werden wollen, melden Sie sich morgen früh um sechs. Ich verspreche Ihnen, Sie

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