Street Art Love (German Edition)
Klasse.«
»Aha«, sagt Max. »Der ist echt nett.«
Unten wartet Charly. Seine Hose ist nass, und er stinkt nach Kotze.
»Ich gebe dir eine Jogginghose von mir«, schlage ich vor. Er nickt erleichtert.
»Du kannst schon ins Wohnzimmer gehen, dort können wir arbeiten.«
»Nicht in deinem Zimmer?«
»Hier haben wir mehr Platz!«, sage ich, aber die Wahrheit ist, dass ich die Zeichnungen, die ich von Charly gemacht habe, über mein Bett gehängt habe, und ich will nicht, dass er das sieht. Dort sind auch noch andere Zeichnungen, aber trotzdem.
In meinem Zimmer suche ich Charly eine meiner Jogginghosen heraus. Ich habe eine Lieblingsjogginghose, die schon sehr abgetragen ist, aber einen ganz weichen Stoff hat und eine wunderschöne Farbe. Vermutlich ist es die einzige Hose, die ihm gut passen wird. Eigentlich verleihe ich sie sonst nie.
Etwas später sitzen wir zusammen am Esstisch, auf dem ich alle Bücher ausgebreitet habe, die ich über Street Art und Pop-Art finden konnte. Ich erzähle Charly, was ich mir überlegt habe und wie wir das Referat aufbauen könnten. »Pop-Art und Street Art. Ich dachte mir, wir suchen nach Zusammenhängen. Das Plakative zum Beispiel!«
Charly seufzt. »Können wir das nicht anders machen?«
»Wie denn?«
»Uns Street Art ansehen und dann Fotos machen und dann was schreiben …«
»Irgendwann müssen wir mal was aufschreiben. Deshalb haben wir uns doch getroffen, oder?«
Er grinst. »Oder weil ich sehen wollte, wie du wohnst.«
Er sagt es mit dieser Offenheit, die mich jedes Mal verwirrt. Interessiert es ihn wirklich? Interessiere ich ihn? Nicht nur die Pop-Art? Es macht mich verlegen, und ich nehme mir ein Buch und blättere darin herum. Charly nimmt sich auch ein Buch, und eine Weile lesen wir beide schweigend. Bis Charly aufspringt.
»Hey, hier ist ’ne Route drin, in Berlin, wo Banksy gesprayt hat.«
Ich sehe überrascht auf. »Wusstest du das nicht?«
»Ich kenn Sachen von ihm in Berlin, aber ich wusste nicht, dass alles so nah beieinander ist. Das können wir ablaufen. Kein Thema.«
Ich schlage mein Buch zu. »Jetzt?«
Er überlegt. »Nö, das ist in Mitte, da würden wir sicher ’ne Stunde hin brauchen.«
Ich finde es auch viel spannender, durch die Stadt zu laufen, als diese Bücher zu lesen. Die Sprache ist schrecklich geschraubt, und man versteht kaum, was die Autoren sagen wollen.
»Hast du mal Papier?«, fragt Charly.
Ich hole einen Zeichenblock, und er fängt an, den Plan von der Banksy-Route zu übertagen. Es ist mehr ein Kunstwerk als ein Routenplan, und er ist ganz vertieft in die Arbeit. Jetzt würde ich ihn gerne zeichnen, aber das traue ich mich nicht. Ich versuche mir alles einzuprägen, seine Kopfhaltung, die zeichnende Hand, doch so funktioniert es nicht. Gerade will ich meinen Zeichenblock herausholen, da höre ich das Auto meiner Eltern in die Einfahrt fahren, dann den Schlüssel in der Tür. Ich habe gar nicht gemerkt, dass es schon so spät ist.
»Wann wollen wir das denn machen?«, frage ich schnell.
»Was denn?«, fragt Charly und sieht wie in Trance auf.
»Na, die Banksy-Tour?«
Er runzelt die Stirn. »Diesen Samstag kann ich nicht.«
»Vielleicht die Woche darauf, falls ich nicht unterwegs bin.«
»Okay, abgemacht!«
»Hallo, ihr beiden!«
Meine Eltern kommen mit einem Stapel Akten ins Wohnzimmer. Ich suche die Tüte mit dem mitgebrachten Essen, doch die gibt es nicht. Meine Mutter wuchtet einen Stapel Ordner auf den Esstisch und rümpft irritiert die Nase. Die Tüte mit Charlys Hose steht unter dem Tisch. Wir haben uns offenbar schon an den Geruch gewöhnt.
»Wir haben es nicht geschafft, was zum Essen zu holen, wir bestellen Pizza«, sagt sie atemlos. »Wie geht es Max?«
»Gut«, sage ich und hoffe, dass sie nicht genauer nachfragt.
Ich packe die Bücher zusammen.
»Und? Habt ihr gut gearbeitet?«, fragt mein Vater und wählt gleichzeitig die Nummer vom Pizzaservice. Er erwartet nicht wirklich eine Antwort. Charly beobachtet den üblichen Nach-der-Arbeit-Tango meiner Eltern leicht verwirrt.
»Isst du mit?«, fragt mein Vater an Charly gewandt.
»Nein, ich muss los.«
Ich begleite Charly zur Tür und gebe ihm die Tüte mit seiner Hose.
»Du kannst mir die Jogginghose morgen wiedergeben.«
»Okay. Und wir sehen uns dann übernächsten Samstag?«
Ich denke, dass wir uns ja eigentlich morgen in der Schule sehen, aber ich sage nichts. »Ja, wo am besten?«
»Hackesche Höfe. Vor dem Eingang.«
Ich nicke, ohne
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