Street Art Love (German Edition)
der Woche, aber dieser Montag könnte einer der besten meiner ganzen Schulzeit werden.
Ich fahre mit dem Bus. Maja wartet schon vor der Schule, wir wollen gemeinsam hineingehen und die Reaktionen der Schüler und natürlich vor allem Charlys Reaktion beobachten. Wir laufen auf den Eingang zu.
»Irgendetwas ist komisch«, sagt Maja.
Ich merke es auch. Es sind nicht nur viele Schüler, sondern auch auffällig viele Lehrer vor der Schule. Wir stellen uns zu den wartenden Schülern, die aufgeregt tuscheln. Ich entdecke Steffen, und wir gehen zu ihm hinüber.
»Was ist denn los?«, frage ich arglos.
»Charly!«, sagt er und macht eine Kopfbewegung Richtung Turnhalle.
»Was ist mit Charly?«, fragt Maja.
Sie kann wirklich gut schauspielern.
»Er hat die Wand … verschönert.«
»Ach ja?«
»Ziemlich geiles Ding!«
Ein Lehrer verhindert, dass mehr und mehr Schüler Richtung Turnhalle wandern, um sich das Bild genauer anzusehen, dafür zeigen die anderen ihre Handybilder herum. Die Mädchenreihe beugt sich geschlossen über Pias Handy. Sie stoßen bewundernde Töne aus und flüstern beeindruckt.
»Er hat es echt gemacht!«, sagt Pia.
Auch die Jungs sind schwer beeindruckt. Charlys Werk? Ich kann nicht verstehen, dass sie das nur eine Sekunde glauben können. Charly hat einen ganz anderen Style. Ich sehe Maja an, die mit den Schultern zuckt.
Und dann kommt Charly in die Schule geschlurft. Das Geraune wird lauter, alle schauen neugierig zu den Lehrern und tun gleichzeitig so, als wäre nichts.
Auch Charly spürt, dass etwas anders ist, er sieht sich fragend um, dann entdeckt er mich, strahlt und kommt auf uns zu.
»Hey, du bist ja wieder gesund!«
»Ich weiß nicht«, sage ich unsicher, denn gerade habe ich ein ganz komisches Gefühl im Magen.
Herr Wende, unser Kunstlehrer, schiebt sich zu uns durch. »Charly, kann ich dich einen Augenblick sprechen?«
Charly schaut überrascht auf.
»Komm doch mal mit, ich möchte dir etwas zeigen.«
»Ihr anderen geht bitte in eure Klassen!«, ruft die Lehrerin, die Aufsicht hat.
Widerwillig trödeln alle in die Schule. Nur ich habe es eilig und ziehe Maja schnell in das Gebäude.
»Die denken alle , das war Charly! Auch die Lehrer«, flüstere ich aufgebracht.
»Sei doch froh«, sagt Maja.
Obwohl wir in der ersten Stunde Deutsch haben, kommt Herr Wende in die Klasse. Wahrscheinlich haben die anderen Lehrer ihn zum Fachmann in dieser Sache erklärt. Er führt Charly wie einen Gefangenen am Arm in die Klasse. Ich versuche herauszufinden, wie Charly das findet. Ist er sauer? Genervt?
Alle setzen sich, bis auf Charly, der vorne bleiben muss, dann wird es totenstill.
»Wir werden die Sache mit diesem Fassadenbild jetzt hier gemeinsam aufklären«, sagt Herr Wende, obwohl sehr klar ist, wen er für den Täter hält.
»Tja, Charly«, sagt Herr Wende bemüht ruhig. »Wenn ich das richtig sehe, passt dir einiges an unserer Schule nicht. Offenbar hast du nicht nur eine andere Vorstellung von Kunst und vom Kunstunterricht, sondern auch von der Gestaltung unserer Turnhalle, nicht wahr?«
Ironie und Sarkasmus sind Wendes Spezialität. Keiner lacht, dafür entsteht leises Gemurmel.
»Cool, Alter«, höre ich einen der Jungen von hinten sagen.
Die anderen stimmen murmelnd zu.
»Tja, wirklich cool, so ein Schulverweis«, sagt Herr Wende scharf. »Da weiß man dann später immer, dass man selber schuld war an seinem verkorksten Leben.«
Das Gemurmel wird lauter. Auch ich bin empört. Wer sagt, dass Charlys Leben verkorkst ist oder werden wird, wer sagt überhaupt, dass man ihn wegen eines Wandbildes von der Schule werfen kann?
Charly steht immer noch schweigend vorne, die Augen zu kleinen Schlitzen verengt. Herr Wende wendet sich nun direkt an ihn.
»Was hast du dazu zu sagen?«
Charly sieht auf. »Nichts.«
Ich sehe zu Maja, die wieder mit den Schultern zuckt, als ob uns das alles nichts angeht. Wieso verteidigt Charly sich nicht? Davon abgesehen müsste er eigentlich wissen, wer das Bild gemacht hat.
Herr Wende seufzt. »Dies ist leider keine Sache, über die die Schule einfach hinwegsehen kann. Immerhin wurde hier Eigentum beschädigt. Und das durch einen Schüler, der gerade mal drei Monate auf der Schule ist.«
»Aber das war doch nur Spaß!«, ruft Pia, und ausnahmsweise bin ich einmal absolut ihrer Meinung.
»Ja, sehr witzig«, sagt Herr Wende, und seine Worte triefen vor Sarkasmus. »Wie witzig das für Charly noch werden wird, kann er dann gleich
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