Streitfaelle außergerichtlich loesen
geraten solche Brainstorming-Prozesse relativ schnell ins Stocken, wenn die ersten naheliegenden Lösungen formuliert wurden. Diese naheliegenden Lösungen werden im Ergebnis aber keinen Bestand haben können, wenn zu erwarten ist, dass die Parteien diese Überlegungen schon vor der Einleitung des Mediationsprozesses bedacht haben. Hier gibt es eine Vielzahl von Herangehensweisen, die neue Kreativität schöpfen können. Der Mediator kann lenkend in die Lösungsfindung eingreifen, indem er die passenden Fragen stellt. Denkbare Fragen sind zum Beispiel:
Wie hat man solche oder ähnliche Probleme in der Vergangenheit gelöst?
Kann man das Problem aufsplitten und eine Teillösung finden?
Spekulieren wir mal: Was wäre, wenn …?
Gibt es eine einfachere, allgemeinere Lösung für das Problem?
Wenn wir nun Lösung A und Lösung B kombinieren?
Gibt es (aus anderen Lebensbereichen) eine bewährte Lösung?
Sieht der Mediator schon im Ansatz einer Lösung Schwierigkeiten oder geraten die Versuche, eine Lösung zu finden, erneut ins Stocken, kann der Mediator sich weiterer Mittel bedienen, um die Parteien anzutreiben. Die Vielzahl der Mittel hier darzustellen, würde den Rahmen sprengen. Exemplarisch kann angeführt werden, dass viele Mediatoren gerne Provokationen und Übertreibungen benutzen, um die Parteien aufzurütteln. Es handelt sich dabei nicht um ernst gemeinte Lösungsvorschläge, sondern vielmehr um Aussagen, die keine der Parteien so stehen lassen und akzeptieren kann, sodass sie gezwungen sind, Stellung zu nehmen und eine Alternative anzubieten oder jedenfalls zu erklären, warum dieser „Vorschlag“ inakzeptabel ist. Im letzteren Fall ist das Ergebnis, dass man weitere Kriterien kennt, die für eine andere Lösung relevant sind:
Streiten sich zum Beispiel die Parteien über die Höhe der auszuzahlenden Dividende, kann der Mediator vorschlagen, dass der Aufsichtsrat festlegt, wie hoch die Dividende sein wird.
Streiten sich der Betriebsrat und die Unternehmensführung über die generell zu gewährenden Urlaubstage, kann der Mediator den Vorschlag machen, dass jeder Arbeitnehmer 100 Tage Urlaub im Jahr bekommt.
Streiten zwei Geschäftspartner miteinander und lässt einer von beiden kein gutes Haar am anderen, kann der Mediator fragen, weshalb man sich denn so leichtsinnig mit solch einem schlechten Unternehmer zusammengetan hat. Instinktiv wird sich der Provozierte verteidigen und die guten Seiten des Geschäftspartners aufzeigen, die ihn damals zur Zusammenarbeit bewogen haben.
Richtigerweise reduziert sich die Aufgabe des Mediators auf die Visualisierung, die Förderung der Kreativität und die Objektivierung des Vorbringens der Beteiligten. Es ist hingegen nicht seine Aufgabe, selbst Lösungsvorschläge einzubringen. Zwar vertreten manche die Auffassung, der Mediator könnte in dieser Phase auch selbst aktiv durch Lösungsvorschläge eingreifen. Dies widerspricht aber schon dem Grundgedanken der Mediation, der die Selbstbestimmung der Parteien fördern will und dem Grunde nach davon ausgeht, dass die Parteien selbst wissen, was für sie das Beste ist. Ungeachtet dessen birgt ein Vorschlag des Mediators – mag er auch sinnvoll sein – die Gefahr, dass die Parteien selbst weniger Lösungsvorschläge oder Lösungsvorschläge einer ganz anderen Art einbringen. Der Lösungsvorschlag des Mediators wird trotz Unverbindlichkeit oft als „ aufgezwungen “ empfunden. Im Ergebnis besteht daher die Gefahr, dass der Vorschlag des Mediators – falls er als Lösung zunächst akzeptiert wird – nicht mit der gleichen Wertschätzung und im gleichen Maße nachhaltig umgesetzt wird, weil sich die Parteien mit diesem Lösungsvorschlag weniger identifizieren.
Der Mediator sollte daher seine Tätigkeit bei der Lösungssammlung auf die Moderation beschränken und dafür Sorge tragen, dass die Verhandlungsatmosphäre die Kreativität der Streitenden unterstützt, beispielsweise durch die Sitzordnung, Pausen, Materialien etc.
2.5.2 Analyse der Lösungsvorschläge
Haben die Parteien so viele Lösungsvorschläge wie möglich gesammelt und ist ihre diesbezügliche Kreativität erschöpft, geht es im zweiten Abschnitt der Phase IV darum, die gefundenen Lösungsansätze kritisch zu bewerten und auszuwerten.
Die Phase IV hat den Beteiligten geholfen, eine möglichst große Verhandlungsmasse zu generieren, die nun gesichtet und geordnet werden muss. Im Rahmen der Lösungsfindung wurden für (komplizierte) Probleme Lösungen
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