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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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dritten Pferd zwischen ihnen saß mit gesenktem Kopf ein Mann. Er hatte den Hut verloren, und das feine, dunkle Haar wehte sacht im Morgenwind. Die ersten Sonnenstrahlen fielen auf seine Züge, auf die olivbraune Haut und den dünnen Schnurrbart. Mit benommenen schwarzen Augen starrte er auf die Gruppe der Männer in der Halle, dann fiel sein Blick auf Angeline. Er formte mit den Lippen ihren Namen, aber es war kein Laut zu hören. Plötzlich lachte er hellauf.
    Es war Andre.

13
    In den nächsten Tagen schlief Rolf viel, wachte auf, nahm etwas Suppe und Burgunder zu sich und schlief weiter. Die Männer der Leibgarde übernahmen paarweise die Wache, nur nachts war Rolf allein mit Angeline. Tagsüber war er unruhig, aber wenn der Abend anbrach, lag er still und schlief; ihn störten weder die Pistolenschüsse des nicht enden wollenden Wettkampfes noch die Klänge von Maultrommel, Geige und Gitarre oder das Gebrüll des Viehs, das im Schutz der Nacht ins Lager der Gesetzlosen getrieben wurde.
    Da Angeline am Tage nicht mehr im Krankenzimmer bleiben mußte, konnte sie sich mit Andre unterhalten. Wie er hierhergekommen war, war schnell erzählt. Er war der Fährte von Angelines Entführern gefolgt und hatte sich im selben Netz gefangen wie diese. Die Narbe in seinem Gesicht verblaßte, doch der Stoß, den sein Selbstwertgefühl abbekommen hatte, heilte nicht so schnell. Er hatte sie retten wollen, und nun hatte er sich nur zum Narren gemacht. Bis jetzt widerstand er störrisch jedem Versuch, seinen Namen und die Adresse seiner nächsten Verwandten aus ihm herauszuholen, aber - wie er nur allzugut wußte - war es lediglich eine Frage der Zeit, bis er zur Kapitulation gezwungen war. In seiner Niedergeschlagenheit sah er keine Möglichkeit, Angeline der Räuberbande von McCullough zu entreißen, selbst wenn sie der weiteren Verschleppung durch Rolf und seine Garde entgehen sollte.
    »Angeline?« sagte er eines Tages und sah ihr zu, wie sie Rindfleisch kleinschnitt und in Salzwasser gab, das mit Paprika abgeschmeckt war. Fleisch von gestohlenem Vieh.
    Sie lächelte ihn an. »Ja?«
    »Sind Sie sicher, daß Sie überhaupt gerettet werden wollen?«
    »Was für eine Frage!« Angeline starrte ihn an und ließ das Messer in der Luft schweben. Sie war zu erstaunt, um beleidigt zu sein.
    »Verzeihen Sie«, fuhr er leise fort, »aber ich dachte, daß unsere frühere... Freundschaft mir das Recht zu dieser Frage gibt. Sie sind Rolfs Maitresse?«
    »Nein, bestimmt nicht!«
    »Wie können Sie das ableugnen, wenn Sie ihn mit solcher Hingabe pflegen und das Bett mit ihm teilen?«
    Sie senkte den Blick und schnitt mit äußerster Sorgfalt das Fett von einem Fleischstück. »Er ist sehr krank.«
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung, als habe Rolfs Gesundheitszustand nichts damit zu tun. »Ich weiß, daß Sie am Anfang zum Bleiben gezwungen wurden, aber wenn ich Sie auffordern würde, jetzt sofort mit mir wegzugehen, würden Sie dann mitkommen?«
    »Man läßt uns sowieso nicht fort.«
    »Und wenn doch?« fragte er beharrlich.
    »Es wäre nicht anständig Ihnen gegenüber, Sie in solche Gefahr zu bringen und Ihnen die Verantwortung für mich aufzubürden.«
    »Lassen Sie das meine Sorge sein.«
    Endlich hob sie den sanften, graugrünen Blick. Aus ihrer Stimme sprach Schmerz und ein wenig Bestürzung, als sie antwortete: »Ich kann ihn nicht alleine lassen, nicht, so lange er mich braucht.«
    Andres Gesichtsverletzung verfärbte sich gelblich. Die übrige Haut zeigte dieselbe Farbe. »Ich verstehe. Sie wollen also für immer bei ihm bleiben?«
    »Sie möchten wissen, ob wir Vorhaben zu heiraten? Die Antwort heißt: Nein, wir haben es nicht vor. Man hat mich gewarnt, daß es nicht möglich ist, und ich akzeptiere es.«
    »Gewarnt?« rief er aus, und die Farbe kehrte jäh in sein Gesicht zurück. »Heißt das, dieser Jammerlappen von Prinz hat es gewagt...«
    »Nein, nicht der Prinz«, erwiderte sie hastig.
    »Wer dann?«
    »Spielt das eine Rolle?« In ihrer Gereiztheit und dem hohen Timbre ihrer Stimme lag ein Appell.
    Andre ignorierte ihn nicht, aber er warf ihr einen mehr als sonderbaren Blick zu und wechselte das Thema. Angeline war erleichtert, als Oskar hereinkam und Andre zum Schießstand rief, der hinter der Scheune aufgebaut worden war.
    Als Andre und Angeline sich wieder begegneten, lastete auf beiden noch tiefe Verlegenheit, die aber bald verflog. Allmählich kehrte etwas von der alten Freundschaft zurück. Er war aufmerksamer

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