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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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als die Mitglieder der Leibwache, wenn es galt, ihr bei der groben Arbeit des Holz- oder Wassertragens zu helfen, und nahm eher wahr, wenn sie müde war. Sie merkte, daß er sie nicht aus den Augen ließ, besonders abends nicht, wenn sie in das Zimmer ging, das sie mit Rolf teilte, und die Tür schloß. Dann verhärteten sich seine Züge, er wirkte älter, als er war, und seine Augen schimmerten dunkel vor unterdrückter Wut.
    Trotz seines Zornes auf den Mann, der die Garde anführte, dauerte es nicht lange, bis Andre in das beängstigende Spiel miteinbezogen wurde, das Rolfs Männer und die Gesetzlosen trieben. Er lernte schießen, einen Degen zu einem anderen Zweck als den eines Tapferkeitserweises im Duell handhaben und konnte bald die herrischen Grundsätze des Anführers der Garde besser nachplappern als die anderen. Sein Können steigerte sich so rasch, daß er schnell die meisten Räuber übertraf, die in die Lehre genommen worden waren, und den Männern der garde du corps nur wenig nachstand.
    Während seine Geschicklichkeit, und damit sein Selbstvertrauen, größer wurde, wuchs in ihm wider Willen Bewunderung für den Mann, der hinter der Ausbildung stand, obwohl er nie direkt mit Rolf sprach, wenn er es vermeiden konnte.
    Andre war nicht der einzige, der von dieser Lage profitierte. Auch die Männer der Garde fanden ein Ventil für ihre Energie in der körperlichen Ertüchtigung des Wettkampfs. So wurden sie von der Pattsituation abgelenkt, in der sie sich weit weg von ihrer Heimat befanden. Und sie lernten auch ihrerseits etwas Neues. Der Kampf mit den breitschneidigen Jagdmessern oder die wüsten, regellosen Keilereien, die damit enden konnten, daß Augen ausgestochen und Ohren abgebissen wurden, waren ihnen auf vielerlei Weise fremd; Behendigkeit, Stärke und Schnelligkeit des Denkens dagegen, die Voraussetzung für einen Sieg waren, waren es nicht. Besonders Meyer entwickelte eine Vorliebe für das lange Messer mit dem schweren Heft und der bösen, scharfgeschliffenen Klinge.
    Wenigstens einmal konnten die Männer diese Messer für ihren ursprünglichen Zweck verwenden. Man machte sich auf die Jagd nach wilden Schweinen. Die Tiere waren die Nachkommen von Hausschweinen, die man in den Wäldern freigelassen hatte, und die sich von Eicheln, Nüssen, Wurzeln und Beeren ernährten. Sie wurden mit Hunden gehetzt und mußten mit einem Schnitt durch die Kehle getötet werden, damit das überflüssige Blut herauslief und das Fleisch eßbar wurde.
    Die tägliche Ration an Schweinefleisch, die von McCullough und seinen Gefangenen benötigt wurde, war nicht klein. Es war Angelines Aufgabe, das Fleisch aufzuschneiden, einzupökeln und in die Räucherkammer zu hängen. Bei dieser Arbeit halfen ihr Andre, Oskar und Meyer.
    Nach und nach war der größte Teil der Hausarbeit Angeline aufgebürdet worden. Jemand mußte sich darum kümmern, daß Rolf appetitliches, gesundes Essen bekam, und wenn sie schon für ihn Suppen und Eintöpfe zubereitete, konnte sie ohne großen Aufwand auch für die anderen etwas in den Topf werfen.
    McCullough faßte ihre Bemühungen aus unerfindlichen Gründen offenbar als persönliches Kompliment auf. Wenn seine tabakbraunen Augen auf Angeline fielen, lag in ihnen ein Ausdruck von Selbstgefälligkeit, der ihr auf die Nerven ging. Mehr als einmal mußte sie seinen gierigen Händen ausweichen. Eines Tages gelang es ihr nicht, und er kniff sie, was ein Fehler war, denn sie hielt gerade eine Kanne mit heißem Kaffee in der Hand. Aus einer Reflexbewegung heraus wirbelte sie verblüfft und zornig herum, wobei sich die Kanne neigte, und das kochend heiße Gebräu sich in einem dampfenden braunen Strom über McCulloughs Schoß ergoß. Aufjaulend und fluchend sprang er auf, hielt sich seine Hose vorne vom Körper weg und warf Angeline einen zornig anklagenden Blick zu. Mehr wagte er nicht, da außer Oskar, der sich köstlich amüsierte, auch Claire im Raum war.
    Sie ist es, dachte Angeline, der ich die relative Gefahrlosigkeit von McCulloughs ungehobelter Werbung verdanke. Sosehr sie ihn auch verachtete, hütete sie doch eifersüchtig ihre Stellung als Maitresse des Räubers. Das verlieh ihr Sicherheit und Schutz vor der Geilheit, die die anderen Männer des wilden Haufens kaum verhehlten. Sie schlichen mit gelben, demütigen Augen um Claire herum, doch ihr loses Lächeln war bedrohlich.
    Eines Tages beobachtete Angeline, wie fünf oder sechs Gesetzlose Claire mit dem Rücken zur Wand gestellt hatten

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