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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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wie ein in die Enge getriebenes Wild. Auf Angelines Zuruf kam sie zu ihr, und in den smaragdgrünen Augen stand große Erleichterung.
    Es regnete. Graue Sturzbäche ergossen sich von den Dachschindeln aus Zypressenholz. In der Luft hing eine kühle Feuchtigkeit, und das dumpfe Getrommel des Regens übertönte andere Geräusche. Angeline sah ihre Kusine an und war bestürzt über den gehetzten Ausdruck in ihrem Gesicht.
    »Warum haßt du mich nicht?« fragte Claire. »Dann könnte ich das alles leichter ertragen.«
    »Ich würde dich vielleicht hassen, wenn du etwas falsch gemacht hättest.«
    Claire stieß ein unheimliches Lachen aus. »Woher willst du wissen, daß es nicht so ist?«
    »Es kann nicht sein, es wäre ungeheuerlich«, erwiderte Angeline, doch in Gedanken hegte sie durchaus Zweifel.
    »Wirklich? Was gäbe ich darum, wieder einmal so sicher zu sein über Gut und Böse.«
    Unvermittelt fragte Angeline: »Was geschah mit Maximilian? Kannst du es mir nicht sagen?«
    »Mit Max?« Claire sprach den Namen aus, als habe er einen bitteren Nachgeschmack. »Ihn habe ich geliebt, das ist das einzige, was zählt. Alles andere ist... zu gräßlich, um darüber zu sprechen.«
    Die Tür auf der anderen Seite der Halle öffnete sich, und Oskar kam heraus. Claire zuckte zusammen und ging in die Küche.
    Der ruhigste aller Männer aus der Leibgarde stellte sich neben Angeline. »Ihr seht besorgt aus. Stimmt etwas nicht?«
    Angeline lächelte mühsam. »Nein, es ist nichts Besonderes.«
    Daß Rolf sich nicht von den Folgen seiner Verletzung erholte, obwohl das Fieber zurückgegangen war, daß er seine Haferschleimsuppe und heiße Milch mit solcher Sanftmut zu sich nahm, daß er so gar keine Vitalität zeigte - all das beunruhigte Angeline zutiefst. Die klaffende Kopfwunde war zu einer langen, grindigen Narbe verheilt, aber vielleicht war die Verletzung doch ernster, als sie zunächst ausgesehen hatte.
    Als Angeline eines Tages vor dem Schlafzimmer stehenblieb, um ihr Tablett besser halten zu können, war ihr, als höre sie von drinnen seine Stimme in dem alten, verblüffend unbekümmerten Tonfall ein flottes Gedicht vortragen. Er sprach mit Gustav und Leopold, die an seinem Lager saßen. Sie war so erstaunt, daß sie mit dem Geschirr klapperte. Als sie hereinkam, lag Rolf jedoch ruhig da, die Hände waren teilnahmslos und schlaff auf der Decke gefaltet, und Gustav drehte sich mit schamrotem Gesicht zu ihr um und hielt eine Hand seitlich, fast hinter dem Rücken. Im Raum hing deutlich Essensgeruch.
    »Was habt Ihr da?« Sie sah Gustav scharf an.
    »Angeline, meine Liebe«, fing er an.
    »Ihr versteckt doch etwas?«
    Der einäugige Veteran stieß einen Seufzer aus. »Nur ein Stückchen Puter vom Abendessen.«
    Was er zutage förderte, war ein ganzes Viertel von dem Vogel, einem von mehreren Truthähnen, die tags zuvor gefangen worden waren.
    »Das soll Euch wohl bis zur nächsten Mahlzeit über die Runden bringen?«
    »So... so könnte man sagen«, murmelte Gustav und warf Leopold einen grimmigen Seitenblick zu.
    »Ihr habt Euch wohl eingebildet, daß es Rolfs Appetit anregt, wenn er Euch zuschaut, wie Ihr diesen Leckerbissen hinunterschlingt?« fragte sie und wurde vor Enttäuschung sarkastisch.
    »Nun... ja, vielleicht war es keine gute Idee.« Er sah verzweifelt auf seinen Anführer, der aber den Blick nur klar zurückgab, wobei er den Mund zu einem amüsierten Lächeln verzog.
    »In diesem Fall könnt Ihr Euch mit Eurem Essen entfernen!«
    Er gehorchte mit großer Bereitwilligkeit. Als Gustav gegangen war, nahm Angeline verblüfft Leopolds heitere Miene und Rolfs verkrampfte Gesichtsmuskeln wahr, der zusah, wie Gustav den beanstandeten Putenbraten hinaustrug.
    Noch ein Vorfall. Als die Garde einmal wieder auf Jagd war, schürte Angeline das Feuer im Wohnzimmer, bis es fauchend aufloderte, zerrte einen Holzzuber an den Kamin und füllte ihn mit heißem Wasser. Sie schickte sich an, ein langes entspannendes Bad zu nehmen und sich sogar mit der primitiven Schmierseife - etwas anderes war nicht vorhanden - die Haare zu waschen. Sauber, wunderbar erfrischt und rosig angehaucht vom heißen Wasser wickelte sie sich in ein dünnes graues Handtuch und begab sich ins Schlafzimmer, um sich nach einem Kamm umzusehen. Sie fand einen grobgezinkten aus Holz, stellte sich vor den kleinen polierten Metallspiegel über der Waschkommode und zog ihn mühsam durch das nasse wirre Haardickicht. Sie beugte sich vor, um die langen Strähnen

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