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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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ringen. Sie hörte, wie die Seide zerriß und ihre Kusine noch einmal aufschrie.
    Angeline erreichte Claire nicht. Derbe Hände packten sie von hinten schmerzhaft am Arm und zogen sie an den Haaren, so daß ihr Kopf in den Nacken gerissen wurde. Sie kämpfte und trat aus. Wut über ihre Torheit, daß dies mit ihr geschah, packte sie, und sie zog ihre Fingernägel über das Fleisch der Angreifer. Sie hörte die Männer unterdrückt fluchen, die sie gepackt hatten, roch ihren stinkenden Atem, ihren widerlichen Körpergeruch und sah am Rande ihres Gesichtsfeldes eine Faust näher kommen. Dann explodierte der Schmerz an ihren Schläfen, und die Dunkelheit der Nacht schloß sich sacht und besänftigend über Angeline.

14
    »Auf die Pferde, amigos, wir reiten los!«
    Dieser Ritt würde zeitlebens zu den unangenehmsten Erinnerungen in Angelines Leben gehören. Sie saß hinter einem Mann, ihre Arme lagen um seinen Gürtel und waren vorne an den Gelenken zusammengebunden. Der Kopf schmerzte ihr, als habe jemand mit dem Messer hineingestochen. Sie versuchte, aufrecht zu bleiben und den Reiter so wenig wie möglich zu berühren. Es war eine zu große Anstrengung für Wirbelsäule und Arme. Wieder und wieder wurde sie auf den samtbekleideten Rücken geworfen und ließ sich nach und nach von ihm stützen. Sie spürte mehr, daß der Mann voller Genugtuung lachte, als daß sie es hörte. Sie war versucht, sich wieder aufzurichten, und sei es nur, um Unannehmlichkeiten zu bereiten, aber es schien ihr eine nutzlose Verschwendung der letzten Kraft, die ihr noch geblieben war, ein sinnloses Heraufbeschwören der in ihr aufkommenden Übelkeit.
    Sie fror. Ihr Kleid war feucht geworden, und sie hatte keinen Mantel an. Die kühle Nachtluft, die sie umwehte, drang ihr bis auf die Knochen, und Angeline verspürte eine unwillkürliche, entwürdigende Dankbarkeit für die Körperwärme des Reiters. Wenn die Kälte schon für sie unangenehm war, wie mußte sich da erst Claire fühlen, die nur noch in die Fetzen ihres Seidennachthemds gekleidet war? Angeline sah sie als verschwommene Gestalt hinter einem der anderen Räuber hängen und glaubte, durch das Stampfen der Hufe ihr Weinen zu hören.
    Angeline ließ ihre Gedanken zu Rolf und McCullough wandern. Was taten sie jetzt? War die Garde schon von der Jagd zurück? Waren alle bereits zu einer erneuten Verfolgungsjagd aufgebrochen? Sie konnte sich nicht darauf verlassen. Es war nicht einmal sicher, ob McCullough wußte, wo das Lager der Banditen zu finden war, und es gab keine Garantie dafür, daß Rolf ihr rechtzeitig zu Hilfe kommen würde. Sie war auf sich selbst gestellt und hatte keine anderen Waffen als ihren Verstand und ihren Mut, die beide jämmerlich unerprobt waren.
    Beim Absteigen hatte sie Gelegenheit, ihren Reiter - offenbar der Anführer der Bande - näher zu betrachten. Er war groß und von skeletthafter Dürre, die Augen lagen eng zusammen, und er trug einen spanischen Schnurrbart, der seinem Mund einen grausamen, verächtlichen Zug verlieh. Das dunkle Haar war lang und mit einem Lederriemen in einer Weise, die längst aus der Mode war, zu einem Haarknoten zusammengebunden. Sein Rock war aus flaschengrünem Samt mit langen Schößen geschneidert, die auf abgetragene lederne Pantalons fielen. Die nackten Knie ragten aus hohen Stulpenstiefeln. An der Hüfte trug er einen Dolch in einer Scheide aus verziertem Leder, dessen Heft mit Silber und Gold ziseliert war.
    Im Vergleich zum Quartier des Spaniers und seiner Männer kam ihnen McCulloughs Stützpunkt jetzt wie ein Palast vor. Angeline und Claire wurden in den einzigen Raum einer Blockhütte gestoßen. Die Decke bestand aus offenen Dachsparren, der Boden aus festgestampfter Erde, vorne und hinten befanden sich Türen, und die Balken an den Wänden waren nicht nur ungehobelt, sogar die Rinde war noch daran. Zu solcher Umgebung paßten die drei Betten aus teuren, polierten Hölzern mit gedrechselten Pfosten und geschnitzten Kopfbrettern wenig. Die Auflagen bestanden aus fein gewebten, kunstvoll und sorgfältig bestickten Steppdecken und Laken mit Monogramm, aber alles starrte vor Dreck. Wertvolle Brüsseler Teppiche und Wiltonbrücken waren in den Boden gestampft, und um den schlammverputzten Kamin häuften sich Hausrat aus Silber und Messing und verschiedene angeschlagene und gesprungene Tassen, Untertassen und Teller, die einmal zu einem feinen Porzellanservice gehört haben mußten.
    Es dauerte einen Moment, bis Angeline

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