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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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beinahe ebenso beeindruckend war wie ihr wogender weißer Busen. In der Pause wurden sie in ihrer Loge von zwei älteren Damen mit äußerst aristokratischem Auftreten aufgesucht, die während der Darbietung den stechenden Blick mehr auf Angeline als die Reize der Diva gerichtet hatten. Sie schwatzten eine Weile und stellten Angeline belanglose, einfache Fragen, wobei ihnen keine Einzelheit ihrer Erscheinung, ihres Verhaltens und ihrer Persönlichkeit entging. Eine Einladung zu einem Besuch bei ihrer lieben Freundin Helene am nächsten Tag nahmen sie gnädig an und verabschiedeten sich.
    »Na, chere «, sagte Madame Delacroix und lehnte sich mit einem glücklichen Seufzer in ihrem Sessel zurück. »Nun werden wir ja sehen. Es gibt keine bedeutenderen Stützen der Gesellschaft als diese beiden, die sogar Marie Antoinette aufgewartet haben. Wenn die Sie akzeptieren, ist alles gut. Wenn nicht, sind wir verloren.«
    Angeline war gar nicht wohl dabei, wie ein Zirkusgaul oder eine Sklavin auf dem Markt begutachtet zu werden. Am nächsten Morgen legte sie das Kleid aus rosa Seide an und begab sich in trotzig steifer Haltung in den Salon, wo die beiden Damen plauderten.
    Angeline fühlte sich unbehaglich und wußte nichts auf die Fragen zu erwidern, die wie in einem Kreuzverhör auf sie einhagelten. Es half ihr dabei wenig, daß Helene dann und wann die Stirn runzelte oder ihr aufmunternd zunickte. Ihre Gastgeberin unternahm zwischendurch den tapferen Versuch, die beiden Damen mit einer Geschichte über den Zusammenstoß eines Frachtkahns mit einem der wenigen regelmäßig verkehrenden Schaufelraddampfer auf dem Mississippi abzulenken. Sie hörten ihr mit glasigen Augen zu und eröffneten erneut das Feuer mit harmlosen, nie direkt indiskreten Fragen, die Vertrauen erwecken sollten. Ob Mademoiselle Fortin vielleicht die Kathedrale der ruthenischen Hauptstadt ein Begriff sei? Der Prinz müsse sie doch erwähnt haben. Die Mutter des Prinzen sei eine feine Frau und mit dem bairischen Haus Wittelsbach verwandt. Es gehe das Gerücht, daß eine Kusine derselben Linie der Dynastie zu Maximilians Braut ausersehen gewesen sei. Ob geplant sei, diese Dame jetzt mit Rolf zu verheiraten? Das wisse sie nicht? Wie eigenartig. Es wäre faszinierend zu erfahren, über welche Themen sie mit dem Prinzen gesprochen habe. Der Geschmack und die Interessen einer Königlichen Hoheit seien meist recht ungewöhnlich, nicht wie bei anderen Menschen, oder sei sie anderer Meinung?
    Angeline drängten sich im Geiste ständig neue unhöfliche Antworten auf, die sie sich verbeißen mußte, um Madame Delacroix nicht bloßzustellen. Ihre Geduld und Diplomatie hatten Grenzen, so wichtig die Gunst dieser Damen auch sein mochte.
    »Sagt mir, Mademoiselle Fortin, wie konversierte der Prinz? Oder habt Ihr keine Zeit mit leerem Gerede verschwendet?«
    Einen Moment lang hallten Rolfs flüssige Sätze in Angelines Kopf wider. »Er konversierte«, erwiderte sie langsam, »ohne Gemeinplätze oder Bosheiten. Ich will damit sagen, er stellte den Arglosen nicht durch leeres Gerede Fallen. Was er wissen wollte, fragte er, und wenn er nicht die gewünschte Antwort erhielt, fand er entweder eine andere Möglichkeit, der Sache nachzugehen, oder er schwieg.«
    Das war eine überdeutliche Anspielung. Durch den Raum ging ein leises Aufseufzen. Die ältere der beiden Damen lehnte sich zurück. Ihre Miene war angesichts dieses Affronts wie versteinert. Ihre Schwester lähmte ungläubiges Staunen.
    Im selben Augenblick ging die Tür auf. Der Majordomus der Familie Delacroix, derselbe, der Rolf am Abend der Soiree angekündigt hatte, trat mit einer Verbeugung ein. »Pardon, Madame, aber der Prinz ist da.«
    »Oh«, erwiderte Helene matt. Die Frage, welcher Prinz es sei, war unnötig. »Ich glaube, wir... wir sollten ihn besser hereinbitten.«
    »Nicht nötig«, sagte Rolf und schlenderte durch die Tür. »Ich setzte meinen Willkomm voraus und vertraue darauf, daß Ihr mir diese Anmaßung und mein Eindringen verzeiht.«
    Als er sich im Zimmer umsah und sein Blick auf Angeline fiel, zuckte er zusammen und erbleichte. Dann erkannte er Helene, registrierte die Gegenwart der beiden ältlichen Fräulein und ordnete sie augenblicklich ein. Er führte die Hand der Gastgeberin an die Lippen und beugte das blonde Haupt über ihre Finger. Er trug eine makellos weiße Uniform, dazu einen kurzen Umhang mit Goldstreifen schräg über der Schulter.
    Angeline schlug das Herz bis zum Halse, das Blut

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