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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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am ehesten wiederherstellen kann, durch vorsichtige Vernachlässigung oder übertriebene Bevorzugung? Es wäre unendlich hilfreich, deine Wünsche zu kennen. Allerdings könnte sich das auch als Handicap erweisen, und es ist vielleicht besser, wenn ich so verfahre, wie es zumindest für einen der Beteiligten am besten ist.«
    Die Härte seiner Augen war wenig beruhigend. Angeline erhielt jedoch keine Gelegenheit, weiter nachzuhaken. Helene steuerte auf sie zu und hatte einen munteren Kommentar über die Länge ihrer Beratung und die Eifersucht der anderen Gäste auf den Lippen.
    »Pardon, Madame Delacroix«, sagte Rolf und schlenderte zu ihr, indem er Angeline mitzog. »Ich fürchte, ich kann nicht länger bleiben. Als ich gestern abend in der französischen Gesandtschaft eintraf, warteten schon stapelweise Depeschen auf mich, die alle meine Aufmerksamkeit erfordern, mir aber mangels Adresse nicht nachgeschickt werden konnten. Ich muß mich schleunigst darum kümmern.«
    »Oh, wie schade!« rief Helene. »Wir hatten auf eine lange Visite gehofft.«
    »Vielleicht kann ich das wiedergutmachen. Die Verpflichtungen eines Prinzen sind zahlreich und unauskömmlich, darunter fällt auch die Notwendigkeit, sein Land zu repräsentieren. Zu Beginn meines Aufenthalts in der französischen Gesandtschaft habe ich bei den Behörden meine Aufwartung gemacht, und so begann der Kreis gesellschaftlicher Verpflichtungen. Wenn Ihr für derlei Ziererei und Posieren etwas übrig habt, hoffe ich, Euch und die anderen Damen überreden zu können, meine Einladung zu dem Ball anzunehmen, der in ein paar Tagen stattfinden wird. Auf diese Weise sichere ich mir einen unterhaltsamen Abend.«
    Entzückensschreie kamen von Helene, gnädige Billigung von den älteren Damen, und mit einer Flut belangloser Komplimente und höflicher Übertreibung verließ sie der Prinz. Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, folgte eine lebhafte Diskussion über sein angenehmes Außeres, seine Haltung, seine Gewandtheit und seinen Schliff. Angeline sprach nicht viel. So verwirrt war sie, daß das strahlende Lächeln, mit dem sie die ehemaligen Hofdamen Marie Antoinettes bedachten, wenig Eindruck auf sie machte, und als es Zeit zur Verabschiedung war, mußte Helene sie aus ihren Gedanken reißen.
    Drei Tage später fuhr Madame de Buys in ihrer uralten Kutsche vor dem Stadthaus der Delacroix’ vor. Claires Mutter hatte an Gewicht verloren, war abgehärmt und bleich im Gesicht. Der Kummer hatte allerdings nicht zur Besserung ihrer Laune beigetragen. Sie verschwendete wenig Zeit mit Höflichkeiten, erwähnte mit keinem Wort, daß sie sich Helene für die Aufnahme ihrer Nichte verpflichtet fühle, und verfrachtete Angeline zum Haus ihrer verwitweten Schwester, das in der Nähe des Mississippi lag.
    Es besaß fünf Zimmer. Zur Straße hin lagen der Salon und ein Schlafzimmer, und nach hinten hinaus gingen ein weiteres Schlafzimmer, das Eßzimmer und die Speisekammer. Die hinteren Zimmer führten auf eine Veranda, die den Blick auf einen winzigen Garten freigab, das einzige, was mit dem Haus versöhnen konnte. Ein
    Stück dieser Veranda war zu einer kleinen Kammer für ein Dienstmädchen umgebaut worden. Da die Witwe sich einen solchen Luxus nicht mehr leisten konnte, wurde das Zimmer Angeline überlassen.
    Die war es zufrieden. Hatte sich Tante Berthe schon gegenüber Helene Delacroix wenig um Liebenswürdigkeit bemüht, bei ihr tat sie es erst recht nicht. Sie war so abweisend, daß sich Angeline fragte, warum sie sie überhaupt abgeholt hatte. Zunächst hatte sie ernsthaft erwogen, eine Übersiedelung ins Haus der Witwe abzulehnen, so offensichtlich war, wie wenig man sie dort willkommen heißen würde, aber sie wollte Helene Delacroix’ Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch nehmen. Außerdem war ihr Andre, nachdem er von Rolfs Ankunft in der Stadt erfahren hatte, furchtbar lästig gefallen, hatte gefordert, gebeten und sie bei jeder Gelegenheit bestürmt, als wolle er sie mit seiner Hartnäckigkeit zermürben. Sie war froh, ihm aus dem Weg gehen zu können, bis sie sich entschieden hatte.
    Angeline schüttelte gerade das lavendelblaue Seidenkleid aus, um es in den altmodischen Schrank mit Schnörkelaufsatz zu hängen, als Madame de Buys zur offenen Tür hereinkam.
    »Ich möchte dich sprechen«, sagte Tante Berthe ohne Umschweife.
    »Ja?« Angeline ließ sich nicht stören.
    »Du sollst wissen, daß ich nicht deinetwegen nach New Orleans gekommen bin. Ich

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