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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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habe... noch etwas anderes zu erledigen, das meine Anwesenheit erfordert. Ich hielt es für das beste, dich aus dem Haus der Delacroix’ zu entfernen, bevor du auch dort einen Skandal verursachst. Andre hat sich deinetwegen schon lächerlich genug gemacht, als er wie ein Ritter in strahlender Rüstung davonritt, um dich zu retten.«
    »Ich bin sicher, daß Rolf Ihnen zustimmen würde.«
    »Wenn du freundlicherweise davon absehen könntest, in meiner Gegenwart seinen Namen auszusprechen. Ich hasse ihn und will nie wieder an ihn erinnert werden. Ich erwarte, daß du mir von diesem und anderen Themen schweigst und versuchst, dich anständig aufzuführen. Du wirst dich nicht draußen herumtreiben, du wirst keinen Besuch empfangen und keine Einladungen annehmen. Damit du klarsiehst: Du wirst diesen Raum ohne meine ausdrückliche Erlaubnis nicht verlassen. In den nächsten Tagen wirst du daher viel Zeit zum Nachdenken haben. Ich schlage vor, du überlegst dir, so bald wie möglich als Novizin in ein Kloster einzutreten. Das ist alles, was ich dir zu sagen habe.«
    Als ihre Tante sich zur Tür begab, fragte Angeline direkt: »Steht Ihre Ankunft vielleicht damit in Zusammenhang, daß sich Claire hier aufhält?«
    »Was?« Die Stimme der Tante klang scharf, aber nicht überrascht.
    »Sie haben sich nicht nach ihr erkundigt, nicht einmal danach, ob sie tot ist oder lebendig oder ob ich sie gesehen habe.«
    »Meine Tochter - was sie tut, wo sie ist, was ich über sie weiß -geht dich nichts an. Du bist für uns gestorben, du gehörst nicht mehr zur Familie. Laß dir das gesagt sein.«
    Angeline hob die Braue. Die kühlen Worte der Tante machten wenig Eindruck auf sie. »Wenn Sie sich von mir lossagen wollen, können Sie auch nicht das Recht für sich beanspruchen, mir Vorschriften zu machen. Sie können dann auch nicht von mir erwarten, daß ich mich Ihren Anordnungen füge.«
    Madame de Buys richtete sich auf. »Das werden wir ja sehen!«
    »Allerdings«, stimmte Angeline ihr zu.
    Doch in den nächsten Tagen verließ sie ihr Zimmer nicht. Wozu auch, sie konnte ja nirgends hingehen und mit niemandem reden, und keiner im Haus machte sich die Mühe, wenigstens höflich zu ihr zu sein.
    Am Morgen des dritten Tages nach ihrer Übersiedlung zu Tante Berthes Schwester lag Angeline auf dem Bett und starrte hinauf zu den rohen Deckenbalken. Eine Tür wurde zugeschlagen. Im Haus geschah so wenig, daß Angeline bei diesem Geräusch aufstand und an das einzige Fenster im Zimmer trat. Unten sah sie Maria die Treppe zum Garten hinabsteigen. Sie trug einen Umhang und eine Haube. Sie ging in die separate Küche, hantierte dort herum und kam kurz darauf mit einem Korb wieder heraus. Angeline dachte, daß sie nur auf den Markt wolle, doch da blieb Maria in der Tür stehen und zupfte die Serviette zurecht, mit der sie den Korb zugedeckt hatte.
    Wenn Maria etwas zum Kochen hätte einkaufen wollen, hätte der Korb doch leer sein müssen. Statt dessen sah es danach aus, als würde sie Lebensmittel woanders hin bringen.
    Angeline hatte nicht die Zeit, lange zu überlegen, wohin, zu wem oder warum. Sie wußte es, und im selben Moment, als ihr die Erkenntnis kam, wirbelte sie herum, riß den Schal vom Bett, mit dem sie sich die Füße zugedeckt hatte, fischte ihre Schuhe unter einem Stuhl hervor und zog sie an, während sie schon zur Tür flitzte. Sie glitt leise über die Veranda und schlich sich auf Zehenspitzen die Treppe hinunter. Dann blieb sie einen Moment regungslos stehen, um Maria Zeit zu lassen, durch das Tor zu schlüpfen. Angeline bog ums Haus, ging durch die schmiedeeiserne Pforte und zog sie lautlos hinter sich ins Schloß.
    Sie sah die hagere Gestalt der Zofe die Straße entlangeilen und sich zwischen einer Frau, die Reiskuchen verkaufte, und einem jungen kreolischen Herrn, der ein Stöckchen mit silbernem Knauf schwenkte, einen Weg bahnen. Maria schritt in Richtung Markt aus, Angeline hinterher.
    Der Marktplatz war schmal und einen ganzen Häuserblock lang. Als Angeline näher kam, hörte sie das Stimmengewirr der Bevölkerung von New Orleans: Franzosen, Spanier, Kreolen, Engländer, Deutsche, Gälen, Choctaw, Griechen, Italiener, Malteser und Seeleute aus einem halben Dutzend anderer Nationen feilschten um die angebotenen Waren. Frachtkähne waren am Uferdamm vertäut, in denen Fleisch und Schalentiere, Wild, Kaninchen, Eichhörnchen, Waschbären, Oppossums und Drosseln, Stare, Tauben sowie gebündeltes oder in Körbe gefülltes

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