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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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Gemüse und exotische Früchte von den westindischen Inseln lagen. Die Indianerinnen, die zwischen den anderen Händlern kauerten, boten Felle, geflochtene Körbe, wilde Pekannüsse, Kastanien und schwarze Walnüsse feil. Hier und da verkaufte ein Matrose Papageien oder kleine Affen.
    Die Käufer waren meist Männer, da Einkaufen als eine zu rohe Beschäftigung für Damen galt; ihnen war weder der gelegentliche Anblick eines nur mit einer kunstvoll drapierten Decke bekleideten Choctawkriegers noch das Feilschen mit derben Marktweibern zuzumuten. Soweit sich Frauen sehen ließen, wurden sie von einem
    Diener begleitet, der sie beschützen und alles tragen mußte, was gut genug war, in ihrem Haus auf den Tisch zu kommen. Das galt besonders für die aufwendig herausgeputzten Terzeronen, Maitressen von wohlhabenden Herren der Gesellschaft, von denen einige sich von einer Sklavin Luft zufächeln ließen, um die allgegenwärtigen Moskitos zu vertreiben.
    Von diesem Kaleidoskop der Farben und Geräusche, dem Geruch nach Kot und faulenden Blättern, frischem Gemüse und feuchten Pelzen, Zwiebeln, Knoblauch, Peperoni, Nelken und Piment nahm Angeline wenig wahr. Ihr Blick war auf die bewegliche Gestalt der Zofe gerichtet. Sie schaute zu, wie Maria neben einer Deutschen mit frischem Gemüse stehenblieb, die runde goldene Käselaibe verkaufte; und dann sah sie, wie eine Frau, die von Kopf bis Fuß in einen langen Mantel aus billigem Wollfries gehüllt war, auf sie zukam und ihr den Korb abnahm. Angeline konzentrierte sich vollständig auf dieses Bild und übersah die magere Katze zwischen ihren Beinen.
    Sie trat darauf. Die Katze jaulte auf. Angeline schrak heftig zusammen und stieß mit dem Ellbogen an eine Orangenpyramide, daß die Früchte durch die Gegend flogen. Zwei kleine Jungen stürzten sich darauf. Die Marktfrau kreischte, und die Verwirrung war vollkommen. Als der Friede wiederhergestellt war, war von Maria und Claire keine Spur mehr zu sehen.
    Hatten sie Angeline erkannt, oder waren sie nur aus Vorsicht so schnell verschwunden? Aber warum versteckte sich Claire immer noch? Wußte sie, daß Rolf und die Garde in New Orleans waren, oder gab es einen anderen Grund dafür? Verbarg sie sich aus Angst oder aus Scham?
    Der Drang, Rolf ihre Beobachtungen mitzuteilen, war so stark, daß Angeline mitten auf der Straße stehenblieb und sich über ihren Sinneswandel wunderte. Seit wann hatte sie so unbedingtes Vertrauen zu ihm ? Wenn sie sich in dieser Angelegenheit auf ihn verließ, warum legte sie dann nicht auch ihre Zukunft in seine Hände?
    Sie fing den neugierigen Blick eines Kindermädchens auf, das einen Jungen in samtenen Kniehosen hütete, der mit einem Reifen spielte. Als sie daraufhin weiterging, hatte sie keine Ahnung, wohin und warum. Sie kam an der St. Louis Kirche und dem St. Anthony Garden vorbei. Sie fühlte sich frei, wunderte sich aber auch über ihre Torheit. Sicherheit war nirgends zu finden. Auch die, die eine Ehe ihr zu bieten schien, war nichts als eine Illusion. Zuflucht vor den Katastrophen der Welt war nur in der Burg des eigenen Innern, nur hier konnte sie den Mut finden, sich dem Leben zu stellen, ob sie nun siegte oder unterlag.
    Als Angeline sich umsah, stand sie vor der französischen Gesandtschaft, einem massiven Bau aus grauen Steinen und verputzten Ziegeln. Gerade wurde ein festlicher Morgenempfang gegeben. Livrierte Lakaien standen auf der Treppe vor der Säulenhalle, und ihre Goldknöpfe glänzten in der Frühlingssonne. Die Reihe der Kutschen war mehrere Häuserblocks lang. Damen in ihren elegantesten Kleidern und Herren, die einen Cut mit Schößen, Halsbinden und bestickte Westen trugen, defilierten die Stufen zu den großen offenen Flügeltüren hinauf.
    Aus dem Innern kam der Schein von Kronleuchtern, der blasse Glanz seidener Wandbehänge, das Glitzern von Juwelen und Orden. Hinter dem Eingang stand das Empfangskomitee in einer Reihe, die sich im Schatten verlor, so daß Angeline nicht ausmachen konnte, wer geehrt wurde. Und doch: Die Männer, die eintraten, klappten sich in tiefer Verbeugung zur Hälfte zusammen, und die Damen versanken zu einem respektvollen Hofknicks.
    Wer anders als ein Prinz empfing solche Huldigungen? Wen konnte man mit dem Empfang ehren wollen, wenn nicht ihn?
    Hatte sie in all der Zeit, die sie ihn jetzt kannte, je einen Knicks vor ihm gemacht? Nein, nicht einmal bei ihrer ersten Begegnung. Dieses Versäumnis schien Angeline auf einmal aufschlußreich. Aus

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