Strom der Sehnsucht
zog sie enger an sich. Sie sah ihn nervös an. »Es ist nicht mehr nötig, daß er so regelmäßig für mein Wohlergehen sorgt, aber du kannst ihn von mir grüßen und ihm ausrichten, daß es mir gutgeht. Apropos Kleidung, ich möchte mich bei dir für das Kleid bedanken. Es war sehr umsichtig von dir, eine so wunderschöne creation zu bestellen.«
»Es ist ein prachtvolles Kleid, aber es war nur mäßig, bis du es angezogen hast«, parierte er mit konventioneller Höflichkeit und fügte mit Schärfe hinzu: »Du hast so etwas auch von Andre Delacroix angenommen, also hat es nicht viel zu bedeuten.«
Mit einem Stirnrunzeln ging sie auf Abstand von Rolf. »Von seiner Mutter, die ich seit meiner Kindheit kenne, das ist etwas ganz anderes.«
»Willst du bestreiten, daß sie dir die Sachen seinetwegen gegeben hat?«
»Vielleicht teilweise, nicht ausschließlich. Und du hast kein Recht, dich darüber zu beklagen!«
Er hob die Braue. »Ich habe immer nur das Beste gewollt. Wäre das nicht eine treffende Grabinschrift für mich?«
»Es ist unnötig, in solche Extreme zu verfallen!«
Er lächelte sie so strahlend an, daß ihr Herz einen Moment lang aussetzte. »Mit weniger haben wir uns bisher nicht zufriedengegeben.«
Das war gefährliches Terrain. Angeline brauchte eine Weile, bis ihr ein harmloseres Gesprächsthema einfiel. »Ich... ich muß dir etwas erzählen. Ich habe Claire gesehen.«
»Wo?« Er richtete den Blick auf sie, und in seinen Augen lag Wärme.
Sie erzählte es ihm, wobei sie noch sicherer als vorher war, daß ihre Geschichte für ihn nicht von Belang war und er seine eigenen Informationsquellen hatte.
»Schade, daß du sie zwischen all den Gurken und glitschigen Fischen verloren hast. War sie allein?«
»Soweit ich beobachten konnte, ja.«
Er nickte, war aber nicht überzeugt. »Es wäre mir lieber, wenn du der Zofe deiner Tante nicht mehr nachspüren würdest. Wir spielen hier nicht >Ich sehe was, was du nicht siehst<. Claires Leben ist keinen Pfifferling mehr wert, wenn sie der Falsche zuerst findet, ebensowenig wie deines, schöne Angeline, wenn du ihm in die Quere kommst. Ich fürchte, wenn ich dich bei mir behalte, unterschreibe ich dein Todesurteil, und wenn du fort von mir bist, sterbe ich fast vor Angst, daß dir etwas zustoßen könnte.«
Sie hatte sich geirrt, es war wichtig. Aber, was das Faszinierendste war, und woran sie noch kaum zu glauben wagte: Sie bedeutete Rolf auf einmal mehr als Claire oder das, was sie wußte.
Bevor Angeline nachhaken konnte, war der Tanz zu Ende. Rolf sah ihr tief in die Augen, dann führte er sie zu Helene Delacroix. Sie stand bei den beiden Damen des ändert regime, die Angeline in ihrem Haus getroffen hatte. Rolf führte Angelines Hand an die Lippen und drückte ihr einen Kuß auf die Handfläche, dann verbeugte er sich und ging.
»Wie wunderbar Sie heute abend aussehen«, sagte Helene kühl. »Offensichtlich denkt zumindest einer der Herren ebenso. Der Prinz ist bezaubert!«
Die jüngere der beiden Schwestern seufzte und schlug die knorrigen Hände in den Halbhandschuhen aus Spitze zusammen. »Es war so rührend anzusehen, wie er Euch mit den Augen verschlungen hat.«
»Ich... ich glaube nicht, daß er das getan hat«, protestierte Angeline.
»Nicht jeder hat unsere Beobachtungsgabe, da wir Euch und ihn zusammen gesehen haben«, beruhigte sie die Ältere. »Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen.«
»Ich verstehe nicht!«
»Ihr müßt uns wirklich nichts erklären, ma chere «, entgegnete die Ältere und berührte sie mit den vergilbten Elfenbeinstäben ihres Fächers am Arm. »Ich habe mich seit Jahren nicht so gut unterhalten und fühle mich lebhaft an meine Jugendzeit erinnert. Mit einem wie ihm einen Schritt vom Wege abzugehen ist nur eine kleine bagatelle, ganz unwichtig - außer vielleicht für einen selbst. Diesen Schlingeln von Prinzen und den Frauen, die das Glück haben, ihr Auge auf sich zu ziehen, muß man einiges nachsehen.« Eine lang zurückliegende Erinnerung glitt über ihr Gesicht, dann war es vorbei, und sie fuhr hastig fort: »Also werde ich allen, die in meiner Gegenwart schlecht von Euch reden sollten, antworten: >Ihr sagt das bestimmt nur aus Neid und Gehässigkeit !<«
Andre trat zu ihnen. Die alten Damen wechselten Verschwörerblicke und ließen das Thema fallen. Als die Musiker wieder aufspielten, forderte Andre Angeline zum Tanz auf, und sie sah keinen Grund, ihn abzuweisen.
»Sie sind gegangen, ohne sich zu
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