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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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sie es. Es war dumm und sehr gefährlich. Sie hätte ihre Chance wahrnehmen und sich auf ihre Leichtfüßigkeit verlassen sollen. Wie entwürdigend wäre es, wenn sie sie in diesem Versteck aufstöberten wie ein verängstigtes Kind.
    Im Unterholz knackte es, und ein Mann brach heraus, ein dunkler Schatten, so nah, daß sie nur die Hand hätte ausstrecken müssen, um ihn zu berühren. Starr vor Schreck hielt sie den Atem an.
    »Oskar!«
    Angeline fuhr zusammen, als der Mann - er wirkte jung und schlank im Glanz der Sterne - diesen Namen rief.
    Von der anderen Seite des Gebüschs, nur ein paar Schritte entfernt, kam Antwort. Der erste murrte: »Komm mir nicht in die Quere, Bruderherz, es ist mir lieber, wenn ich weiß, womit ich es zu tun habe: mit einem weichen Weib, einer Wildkatze oder deinem Versteck.«
    »Wenn du weiter so herumschreist, brauchst du keine Angst zu haben, daß du es mit einer der ersteren zu tun bekommst. Wir sollten uns still verhalten und nicht einen Radau machen, der das Getrampel einer ganzen Ziegenherde übertönen kann.«
    Ihre Schritte verhallten. Angeline richtete sich aus ihrer kauernden Stellung auf und lauschte. Die Männer drangen tiefer in den Wald ein. Unwahrscheinlich, daß sie aufgaben, bevor sie nicht den Sumpfgürtel erreicht hatten. Sie hatte es geschafft! Ein wildes Triumphgefühl überkam sie, ebbte aber bald wieder ab. Noch war sie nicht in Sicherheit.
    Als das Anwesen der Familie de Buys vor ihr auftauchte, hatte Angeline Seitenstechen, und ihr Atem ging keuchend. Kein Licht war zu sehen. Tante Berthe hatte aufgegeben, auf sie zu warten, war zu Bett gegangen und hatte nicht einmal ein Nachtlicht für sie brennen lassen. Sie konnte zwar nicht ahnen, daß Angeline in Schwierigkeiten war, aber sie hätte sich doch eigentlich vergewissern können, daß alles gutgegangen war. Das Haus war in seiner frühmorgendlichen Schwärze so wenig einladend, daß Angeline dachte, sie müsse sich wohl glücklich schätzen, wenn man sie nicht auch noch ausgeschlossen hatte.
    Sie warf einen Blick zurück auf den leeren Weg und huschte zur Hintertreppe. Dort hielt sie sich im Schatten der Mauer, stieg die Treppe zur oberen Galerie hinauf und erreichte die mit viereckigen Glaseinlagen durchbrochene Tür, die vom Balkon in ihr Zimmer führte. Sie drehte den Griff und schlüpfte hinein. Dann schloß sie sie hinter sich und schob den Riegel vor.
    Erst jetzt atmete sie auf. Sie hatte immer noch den kalten Messingknauf in der Hand, lehnte den Kopf gegen die kühlen Glasscheiben und wartete auf die Welle der Erleichterung, die sie gleich durchfluten mußte. Doch die ließ auf sich warten. Statt dessen nahm Angeline den Geruch von Rauch und heißem Wachs wahr, der im Raum hing, als sei gerade eine Kerze gelöscht worden. Ein flüsterndes Geräusch, wie das Reiben von Stoff gegen Stoff. Es kam von hinten, war nah, so nah, daß sie in der erhöhten Wachsamkeit ihrer Sinne glaubte, die Wärme eines Körpers zu spüren. Und plötzlich sprach eine leise Stimme ihr ins Ohr.
    »Die Fähe«, sagte Rolf von Ruthenien, »kehrt am Ende stets in ihren Bau zurück.«
    Angeline erstarrte. Sie drehte an dem Griff, den sie immer noch festhielt, und schob den Riegel zurück. Gerade als sich die Tür öffnete, packte eine harte Hand nach Angeline und schüttelte sie. Im gleichen Augenblick wurde ihr eine Decke über den Kopf geworfen, und sie konnte sich kaum noch bewegen. Sie holte Atem, um zu schreien, bekam aber keine Luft. Jemand schlug ihr unsanft und kräftig ins Gesicht, und ihr Kopf wurde in einer muskulösen Armbeuge festgeklemmt wie in einer Schraubzwinge.
    Sie konnte nicht Atem holen. Angeline zappelte in Panik und bäumte sich auf. Die Notwendigkeit, von dieser Hand freizukommen, verdrängte jeden Gedanken an Flucht. Als sie hinaus auf die Galerie und die Treppe hinunter gezerrt wurde, war vor ihren Augen nur roter Nebel. Sie schlug um sich und versuchte, den Kopf zu drehen, obwohl ihr der Hals weh tat, aber ihre Kräfte ließen rapide nach. Eine Dunkelheit tiefer als die der Nacht ergriff sie.
    Die Hand wurde weggenommen. Luft, reine, kühle, lebenspendende Luft strömte in ihre Lungen. Angeline hatte wenig Zweifel, daß man sie ihr wieder abschneiden würde, wenn sie sich rührte oder einen Laut von sich gab. Diese Drohung wurde zwar nicht ausgesprochen, war aber wie mit Händen greifbar. Und so, furchtsam, lammfromm, blind und mit kalter Wut erfüllt, lag sie still und ließ sich an einen Mann auf einem

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