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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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Claires Geschichte ausgeforscht. Als die greise Nonne sie zur Hintertür hinausließ, war der Mond bereits untergegangen. Immer noch redete Mutter Theresa auf sie ein, sie solle bis Tagesanbruch ein wenig ruhen und sich eine Liege im Schlafsaal nehmen. Als das nichts fruchtete, wollte sie ihr zumindest eine Laterne aufdrängen. Angeline lehnte ab. Sie hatte keine Angst vor der Dunkelheit; jetzt war sie ihre Verbündete.
    Sie war auf dem dunklen Pfad noch nicht weit gekommen, als sie schon wünschte, sie hätte sich erweichen lassen. Ohne die Hilfe des Mondlichts kam sie viel langsamer vorwärts. Der Wald schien ihr finster und unheimlich, als bedränge er sie. Und, was noch schlimmer war, der Wind trug ihr den Schrei einer jagenden Katze zu, eines Pumas oder Luchses, die beide gelegentlich Menschen angriffen, wenn sie ihnen in die Quere kamen. Angeline beschleunigte ihre Schritte, aber Zweige, die sie zu spät sah, schlugen ihr ins Gesicht, und dornige Ranken schlossen sich zäh um ihre Knöchel. Zu ihrer Erleichterung erreichte sie schließlich das Röhricht am Rand der Straße. Wenn sie erst auf der anderen Seite war, hatte sie schon zwei Drittel des Heimwegs zurückgelegt.
    Sie bahnte sich einen Weg durch den hohen Bambuswald, der hier so dicht war, daß keine anderen Pflanzen wuchsen. Gerade wollte sie ihre Deckung verlassen, als sie wie angewurzelt stehen blieb.
    Stimmen. Weit weg. Sie vermengten sich mit Hufgetrappel und kamen immer näher. Eine tadelnde, eine ruhige. Dröhnendes Baßgelächter. Die Reiter waren auf ihrer Höhe.
    Der Prinz und seine Männer; es konnte nicht anders sein. Die aufrechte, militärische Haltung der Reiter war unverkennbar. Als sie herangekommen waren, zügelten sie die Pferde. Jetzt sprach der dunkelhaarige junge Mann, der vorher als Wache postiert gewesen war.
    »Hier ist es. An dieser Stelle sind die beiden Frauen aus dem Wald gekommen und die Straße entlanggelaufen. Sie sind um die Kurve gebogen und dann... verschwunden. Ich habe mein Pferd geholt und fast die ganze Chaussee bis zur Stadt abgesucht, konnte aber keine Spur von ihnen entdecken.«
    »Ich hoffe, wir können uns darauf verlassen, daß du ein weibliches Wesen als solches erkennst?« kam die bissige Frage des Prinzen.
    »Sie trugen beide Röcke«, gab der andere indigniert zur Antwort.
    »Nicht immer ein schlüssiger Beweis, aber wir wollen ihn gelten lassen. Sie hatte also eine wimmernde Heulsuse von Zofe im Schlepptau, um eine Flucht bei Nacht und Nebel stilvoller oder zumindest schicklicher zu gestalten? Das scheint mir übertrieben.«
    »Ich weiß nicht, ob es so war, aber sie waren bestimmt zu zweit.« Sie ritten weiter, und die Stimmen verklangen.
    Ich hätte wissen müssen, daß sie uns suchen, dachte Angeline. Was sollte sie nun tun? Den Waldweg nach Hause einschlagen? Das war zu riskant. Sie konnte sich an anderer Stelle einen Weg durch den Wald bahnen oder zur Klosterschule zurückkehren und bis zum Tagesanbruch warten. Keines von beidem paßte ihr.
    Sie schaute zu den tiefen Schatten zwischen den Bäumen auf der anderen Straßenseite: die Fortsetzung des Pfades. Es gab noch eine dritte Möglichkeit. Der Prinz und seine Leute rechneten nicht mit ihrer Rückkehr. Wenn es ihr gelang, die Straße zu überqueren und den Weg zu erreichen, ohne gesehen zu werden, konnte sie vielleicht nach Hause laufen und war außer Sicht, bevor die Männer zurückkamen und hier nach Spuren suchten, denn das hatten sie bestimmt vor.
    Nein, es war zu gefährlich. Vermutlich ritten sie nicht weiter als um die zweite Biegung; dort hatte der Posten Claire und sie vorhin aus den Augen verloren. Die Zeit reichte nicht. Sie mußte zum Internat zurück.
    Angeline tastete sich mit stockendem Atem zurück. Keine zehn Schritte tauchte hinter ihr auf dem Pfad, den sie gerade gekommen war, ein bepelzter Schatten aus der Dunkelheit auf. Aus seiner Kehle kam verhaltenes Grollen, die Augen funkelten. Der kurze Rumpf und die spitzen, aufgestellten Ohren deuteten darauf hin, daß es sich um einen schwanzlosen Luchs, vielleicht einen Rotluchs handelte, ein gefährliches, unberechenbares Tier. Vielleicht sprang es sie an, vielleicht trottete es davon, wenn es seine Neugier befriedigt hatte.
    Die Sekunden verstrichen. Die Katze bewegte sich nicht. Angeline wagte kaum zu atmen. Sie konnte nicht ewig bleiben, wo sie war. Da ihr der Rückweg versperrt war, mußte sie sofort weiter, das war ihre einzige Chance.
    Mit äußerster Vorsicht trat sie einen

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