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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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Schritt zurück. Und noch ei-nen. Geschickt schlüpfte sie durch das hohe Schilf. Ein Schritt noch, und sie erreichte die niedrige Chausseeböschung. Niemand zu sehen. Sie raffte die Röcke, machte einen Satz auf die Straße und wirbelte zur anderen Seite.
    Ein Schlachtruf zerriß die Nacht, als sie die Böschung auf der anderen Seite erklomm. Er klang wie ein Jagdschrei, wenn die Beute gesichtet wird. Gehetzt blickte sie zur Kurve, wo jetzt Reiter erschienen. Der schlanke, dunkelhaarige Posten deutete auf etwas und gab seinem Pferd die Sporen. Sie wartete nicht, bis sie auch die anderen sah, sondern tauchte schleunigst in den Wald ein.
    Mit gebeugtem Kopf, den Arm schützend vor das Gesicht gelegt, rannte sie instinktiv den ausgetretenen Weg entlang, dann schlug sie sich in die Büsche und brachte so viel Boden wie möglich zwischen sich und die Verfolger; schließlich wurde sie langsamer. Sie wußte, daß sie sie auch nach den Geräuschen aufspüren konnten, und kroch wie die Indianer, wie ihr Vater es ihr vor langer Zeit einmal in einem kindlichen Spiel gezeigt hatte.
    »Halt!«
    Das Kommando an die nachfolgenden Männer ertönte aus beängstigender Nähe. Es war weder laut noch scharf, wurde aber sofort befolgt. Stille senkte sich über die Nacht; kein Laut war zu hören. Angeline biß die Zähne zusammen und erstarrte zur Salzsäule.
    Nach einer Ewigkeit - so kam es ihr jedenfalls vor - fragte die rauhe Stimme des schweren, einäugigen Veteranen: »Habt Ihr irgend etwas gehört?«
    »Ja, vorhin, unser Wild. Jetzt nicht mehr. Das bedeutet wohl, daß sie nah genug ist, meine Befehle zu hören und sich in ihrem eigenen Interesse danach zu richten.«
    »Wenn das so ist, sollen wir dann nicht ausschwärmen, Hoheit?«
    »Nicht, wenn wir ihr nicht Gelegenheit geben wollen, ihren Rückzug zu decken.«
    »Hm«, machte der andere. »Wir warten also auf Euren Befehl.«
    »Noch eins«, kam die ruhige, durchdringende Stimme, »bei Strafe sofortiger Entlassung darf unserem Wild heute nacht kein Leid geschehen.«
    Irrte sie, oder sollten diese Worte, die in tadellosem Französisch gesprochen wurden, sie in Sicherheit wiegen?
    Ein Pferd schnaubte, stampfte unruhig und schüttelte sich, daß das Zaumzeug klirrte. Ein Mann fluchte. Prinz Rolf sagte etwas, und dann zerriß der wütende Schrei eines jagenden Pumas die Nacht. Der Laut steigerte sich zu einem kreischenden Crescendo, und die Pferde wieherten erschrocken.
    Angeline verlor keine Sekunde. In dieser Unruhe glitt sie davon und schlüpfte flink durch den dichten, feuchten Wald. Hinter ihr ertönte ein scharfer Befehl und die Geräusche einer lautstarken Verfolgungsjagd. Sie rannte weiter, duckte sich unter Zweige, sprang über verfaulte Baumstämme und merkte, daß sich ihre Haarnadeln aus der Frisur lösten. Plötzlich erklang ein Ruf, auf den das stille Echo lauschenden Schweigens antwortete.
    Angeline hob den Kopf. Aus ein paar hundert Schritt Entfernung war schwach ein Ruf und eine leise Antwort zu hören. Er wiederholte sich in den verschiedensten Tonlagen von weiter rechts. Die Männer gingen paarweise vor, sie blieben in Verbindung miteinander und durchkämmten systematisch den Wald. Sie hatten vor, sie wie ein Tier bei der Hetzjagd zu treiben.
    Aber die Nacht war finster, der Wald groß und die Herren für ihr Vorhaben wenige an der Zahl. Angeline dagegen kannte die Gegend, wußte, in welcher Richtung die Straße lag, die Sümpfe und das Haus ihrer Tante. Außerdem besaß sie den Vorteil, immer zu wissen, wo die Männer sich befanden, denn sie riefen einander ständig etwas zu, um sich nicht gegenseitig aufzulauern. Sie sog langsam Luft in ihre Lungen, um ihre Nerven zu beruhigen, und schüttelte das Haar zurück, daß ihr das seidige Geflecht über den Rücken fiel. Sollen sie nur jagen, dachte sie. Mich werden sie nicht so leicht fangen.
    Die Männer erwarteten, daß sie in Panik vor ihnen floh, wenn sie näher heranrückten. Und das würde unvermeidlich dazu führen, daß man sie einholte und abfing. Wenn es ihr gelang, hinter ihre Kette zu gelangen, konnte sie sich vielleicht ein Stück weiter vorne wieder zum Weg durchschlagen und zum Haus rennen, wo sie in Sicherheit war.
    Sie kamen näher. Bei jedem Tritt ihrer Stiefel, der im dürren Laub knisterte, lief es Angeline eiskalt über den Rücken. Fast unbewußt zog sie den dunklen Umhang fester um sich und huschte auf ein niedriges Myrtendickicht zu. Sie kauerte sich nieder und kroch ins Gebüsch. Sofort bereute

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