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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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Pferd weiterreichen. Der Prinz stieg auf, ein lederner Sattel knarrte, dann wurde sie ihm wieder übergeben, und er drückte sie an sich. Die Pferde setzten sich in Bewegung.
    »Schwierigkeiten?« fragte die gedämpfte Stimme eines Begleiters des Prinzen.
    »Nein, aber sie war auch schon erschöpft von dem Tanz, den sie mit den anderen veranstaltet hat.«
    »Seid vorsichtig. Von allem, was man von ihr weiß, hat sie Zähne und Klauen.«
    »Deine Sorge um mein Wohlergehen überwältigt mich, Leopold.«
    »Ihr braucht gar nicht zu lachen. Wenn sie Euch das Herz aus dem Leibe reißt, um es zu verfrühstücken, machen die anderen mich dafür verantwortlich!« Von der Stimme und dem Namen schloß Angeline, daß es sich bei dem Mann um niemand anderen als den dunkelhaarigen Posten handelte.
    »Du glaubst, sie hat allen Grund dazu?«
    Leopold schwieg eine Weile. Dann murmelte er: »Warum stellt Ihr mir diese Frage?«
    »Du hast sie vorhin nicht festgehalten«, erinnerte ihn der Prinz, und in der ruhigen Stimme schwang ein Tadel mit.
    »Ich hatte schließlich nicht Befehl, sie zu entführen, ich sollte sie lediglich im Auge behalten und berichten, was sie tat.«
    »Aber das war nicht der Hauptgrund«, hakte der Prinz nach.
    »Nein. Heute nacht auf dem Ball, da... da wirkte sie wie eine Dame und...«
    »Was, und?« unterbrach ihn der Prinz. »Charmant und ohne Tücke?«
    »So ungefähr.«
    Angeline setzte zum Sprechen an, doch der Mann, der sie fest-hielt, lachte ein helles, eisiges Hohngelächter, das ihm, als es schon verklungen war, noch lange in der Brust vibrierte.
    Sie schlossen sich den anderen Männern der Leibgarde an. Angeline nahm das Gesicht des Reiters hinter ihr nur als blassen Fleck in der Dunkelheit wahr. Langsam verebbte ihre anfängliche Furcht. Was mit ihr geschah, war so unwirklich. Sie saß ganz steif. Sie hatte keine Ahnung, wohin er sie brachte und was er mit ihr vorhatte, aber auf einmal war sie froh, mehr als froh, nicht Claire zu sein.
    »Euer Hoheit«, stieß sie hervor, wobei ihre Stimme unwillkürlich einen flehenden Tonfall annahm. »Das ist ein Irrtum. Ihr müßt mir glauben.«
    »Ein Gnadenappell, Mademoiselle de Buys? Zu Eurem Unglück bin ich heute gar nicht gnädig gestimmt.«
    Sie sagte nichts mehr, sondern nutzte die Zeit, um die letzten Spuren von Furcht und Aufregung aus ihrem Kopf zu tilgen und ihre Gedanken zu ordnen, damit sie ihre Argumente besser vortragen konnte. Ich werde, dachte sie, all meinen Verstand brauchen, wenn er mir seine ganze Aufmerksamkeit zuwendet.
    In schnellem Trab erreichten sie bald die Plantagen von Monsieur de la Chaise. Sie kamen jedoch nicht in die Nähe des Hauptgebäudes, sondern bogen in einen Fuhrweg ab, der tief in den mehrere tausend Morgen Land großen Besitz hineinführte und erst da endete, wo die gepflügten Felder unberührtem Sumpfland wichen. Die Reiter zügelten die Pferde vor einem rechteckigen Gebäude mit Säulengang, einem Ziegelbau, dessen Stuckverkleidung Steinblöcken nachempfunden war. Monsieur de la Chaise hatte hier den Stil eines europäischen Jagdschlößchens imitiert. Es war bekannt, daß seine Frau ihm nicht erlaubte, dort - wie er es vorgehabt hatte - ausgelassene Herrenabende zu geben, und das Haus war nur selten bewohnt. Eine Weile hatte es den erwachsenen Söhnen als Junggesellenheim gedient. Seit sie sich verheiratet hatten, fand es gelegentlich als Gästehaus Verwendung.
    Der Eingang war offen, und in der Tür hob sich die imponierende Gestalt eines breitschultrigen Mannes vor gelbem Kerzenschein ab. Die Ärmel seiner militärisch geschnittenen Livree spannten über den kräftigen Muskeln. Auf dem Kopf hatte er einen dichten Schopf struppiger brauner Haare, die Schlitzaugen ließen auf eine Abstammung aus der mongolischen Steppe schließen, und sein Gesichtsausdruck war der eines freundlichen Bärenjungen. Wenn es ihn überraschte, daß der Prinz mit einer Frau im Arm auf ihn zukam, so verzog er jedenfalls keine Miene. Er verbeugte sich und tat einen Schritt zur Seite, als sein Herr eintrat.
    Sie gelangten in einen geräumigen Saal. Auf der einen Seite befand sich ein Kamin, in dem man einen ganzen Baumstamm verfeuern konnte. Rechts und links davor standen zwei Sofas aus der Zeit von Napoleons ägyptischer Expedition mit verschossenen Bezügen und Krokodilsfüßen; wahrscheinlich waren sie im Herrenhaus ausrangiert worden, als sie aus der Mode kamen. Die andere Seite nahm ein langer Tisch ein, auf dem noch die Reste einer

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