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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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beißend. Oswald war merklich erleichtert, eine befriedigende Antwort geben zu können.
    »Nein. Ich habe die Sache überprüft, so gut es ging, ohne Verdacht zu erregen. Es ist ein kleine Schule mit nicht mehr als zwanzig oder dreißig Schülerinnen, von denen die meisten den Winter über dortbleiben. Die junge Dame, mit der ich sprach, ein reizendes kleines Biest, das sich zufällig gerade die Schuhe zubinden mußte, als ich abgestiegen war, um den Sattelgurt nachzuziehen, hat berichtet, daß die einzigen Erwachsenen, die dort wohnen, die drei Nonnen seien, die den Unterricht geben. Sie hätten keine neuen Kostgängerinnen, und in letzter Zeit sei schon gar nicht eine Frau im vorgerückten Alter um die Zwanzig zu Besuch gekommen.«
    »Ich kann mir Mademoiselle de Buys nur schwer in einer Klosterschule vorstellen.« Meyer hatte diese Bemerkung beigesteuert. Die Narbe in seinem Mundwinkel verschwand, als er lächelte, doch in den grauen Augen standen Zweifel.
    Rolf wandte sich unvermittelt an Angeline. »Was meint Ihr zu dieser faszinierenden Möglichkeit?«
    Diese oder eine ähnliche Frage kam nicht unerwartet. »Was soll ich dazu sagen? Wenn Ihr glaubt, daß Claire dort ist, werdet Ihr weiter forschen. Wenn nicht, dann nicht. Vielleicht hilft es Euch, wenn ich Euch daran erinnere, daß den heiligen Frauen jede Täuschung fremd ist.«
    »Das deckt sich zwar nicht in jedem Fall mit meinen Erfahrungen, aber wir wollen es durchgehen lassen«, erwiderte er mit undurchdringlicher Miene. »Ihr kennt die Schule?«
    »Ich war selbst dort Schülerin, und zwar seit meinem zwölften Geburtstag bis vor kurzem.«
    Die türkisblauen Augen blitzten spöttisch, weil sich Angeline bewußt mit den Unschuldslämmern aus der Klosterschule verglichen hatte.
    Damit war die Litanei noch nicht zu Ende. Einer nach dem anderen berichteten die Männer von ihren Beobachtungen, beschrieben die Gegend, die sie durchritten, die Leute, mit denen sie gesprochen hatten; Greise an Straßenkreuzungen, eine Frau, die Baumbart von den Bäumen zupfte, um damit eine Matratze zu füllen, ein Junge, der eine verirrte Kuh nach Hause trieb. Sie waren die Sumpfgürtel entlang geritten und hatten mit den Akadiern geredet, die dort lebten. Sie hatten ein, zwei Sklaven befragt, die mit Botengängen in die Stadt unterwegs waren, und sogar mit dem Pfarrer der kleinen Kapelle gesprochen, die dem heiligen Martin von Tours geweiht war.
    Gustav hatte nach seinem Tag auf Wache selbst nichts beizutragen und nahm einen Apfel aus dem Korb, der auf dem Tisch stand. Die sorgfältig aufeinandergestapelten Früchte kamen in Bewegung, und einer rollte auf das Tischtuch. Der Einäugige griff nach dem zweiten Apfel und warf ihn hoch, während er mit großen, weißen Zähnen in den ersten biß. Kurz darauf schleuderte er das Kerngehäuse fort, pflückte sich noch einen Apfel aus dem Korb und warf beide Früchte von einer Hand in die andere. Die rotbraunen Äpfel-chen glänzten wie polierte Kugeln im unsicheren, flackernden Licht.
    Gustav sah wieder in den Korb. Er machte sich bereit, mit noch einem dritten Apfel zu jonglieren, indem er die anderen beiden höher und höher warf. So vertieft war er in sein Spiel, daß er den Kronleuchter über seinem Kopf vergaß, der eine Last von fast fünfzig brennenden Kerzen trug. Als er wieder in den Korb griff, traf der Apfel, den er eben nach oben geschleudert hatte, einen eisernen Kerzenhalter; ein Wachslicht lockerte sich und fiel rauchend herunter.
    Mit einem Fluch warf Gustav die Hand hoch, fing die Kerze mitten in der Luft auf und beugte sich noch rechtzeitig vor, um den Apfel aufzufangen, der aus der Bahn geraten war. Er wich zurück, hielt ihn im Spiel und fügte mit einer wahnwitzigen Drehung die Kerze zu den steigenden, fallenden und rotierenden Äpfeln.
    Die Tischgenossen johlten und brachen in unrhythmischen Beifall aus. Mit einem unbekümmerten Lachen sprang Oswald auf. Er nahm einen Apfel und schleuderte ihn zur Decke. Dieser fuhr haarscharf am Kronleuchter vorbei und fiel geradewegs in den Korb, wobei die Früchte in alle Richtungen sprangen. Plötzlich war die Luft erfüllt von fliegenden Äpfeln, die geschickt und überlegt mit Augenmaß geworfen und aufgefangen wurden. Der Eisenkronleuchter schaukelte wie verrückt hin und her, als er von allen Seiten getroffen wurde. Noch eine Kerze kippte und flatterte nach unten, dann noch eine, bis tropfende Lichter und gelöschte Kerzen, die böse Schwaden von schwarzem Rauch hinter

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