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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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sich herzogen, mit den Äpfeln durch die Luft sausten wie sterbende Sternschnuppen, die um launische Planeten kreisen.
    Baßgelächter und höhnisches Gejohle begleitete das Spiel mit dem Feuer und dröhnte zu den verräucherten Gottheiten des bemalten Deckengewölbes empor. Nur Rolf saß abseits und starrte ins Feuer. Oskar protestierte leise, als er wegen eines vorbeifliegenden Apfels den Kopf einziehen mußte, schien aber den Aufruhr um ihn herum ebenfalls kaum zu bemerken, sondern entlockte der Gitarre auf seinem Schoß eine sanfte Melodie. Angeline sah mit einem unergründlichen Lächeln in den Augen dem Tumult zu. Doch sie fragte sich, wie lange die Männer das Spiel in Gang halten konnten und wollten.
    Unter dem Bombardement schaukelte der Kronleuchter hin und her, und als er sich gerade hoch hinaufschwang, landete Leopold einen Volltreffer. Brennende Kerzen schlugen in der Luft Purzelbaum. Ein gutes halbes Dutzend plumpste zugleich auf das Tischtuch und prallte ab. Halb gefüllte Cognacgläser kippten um. Das aromatische Getränk fing Feuer und leckte in tanzenden blauen Flammen über die Tafel und versprühte azurne Funken. Der Geruch von brennendem Stoff und Weinbrand wirbelte in einer beißenden Rauchwolke auf. Kleine himmelblaue Flämmchen tanzten über die Saiten von Oskars Gitarre und liefen spielerisch über seine Hand.
    Erst jetzt wurde der junge Mann aus seinen Träumen gerissen, kam fluchend auf die Beine und schlug auf das Instrument ein, das grell aufschrillte.
    Leopold lachte. Es war ein unbekümmertes Lachen, in dem gleichzeitig so viel provozierende Genugtuung lag, daß sie die plötzliche Unbekümmertheit wieder vertrieb und an den gereizten Nerven zerrte. Wutflecken zeigten sich auf Oswalds heller Haut, der serienweise mit Äpfeln und tropfenden Kerzen auf den dunkelhaarigen jungen Cousin des Prinzen zielte. Aus Leopolds Blick verschwand der amüsierte Ausdruck. Er kniff die Augen zusammen und leitete die Wurfgeschosse an Gustav weiter, der sie in stetigem Fluß auf Meyer zuschleuderte. Um sich zu verteidigen, verteilte der kräftige Mann sie abwechselnd auf die beiden Brüder, wobei sein Gesicht einen Ausdruck verärgerter Konzentration annahm.
    Das Spiel hatte einen bösartigen, grimmigen Verlauf genommen. Schneller und schneller flogen die Gegenstände durch den beißenden, stickigen Rauch und die verschwommenen Schatten, und jeder wurde mit Akuratesse und der zornigen Absicht geworfen, ernsthaft Schmerz zu verursachen. Angeline lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, um sich so weit wie möglich aus der Gefahrenzone zu bringen, wagte aber nicht, den Blick abzuwenden, obwohl mit der wachsenden Spannung ihre Angst wuchs.
    Am Kopfende der Tafel gab es nur ein leises Geräusch, eine Luftbewegung, als Rolf aufstand. Mit seidenweich fließenden Bewegungen glitt er hinter Angelines Stuhl vorbei zum Kamin. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie er vor dem Feuer kniete, als wolle er es schüren, und sich dann mit einem Bündel brennender Äste in den bloßen Händen erhob. Auf einmal war die Luft geschwängert von Rauch, und Funken regneten herab. Die glühenden Fackeln senkten sich mit Wucht auf die Männer nieder und loderten gefährlich auf. Diese fingen sie im Reflex auf und schleuderten sie sofort brüllend vor Schmerz wieder von sich. Kerzen und Äpfel hagelten herab, als die Fackeln von Hand zu Hand wirbelten, und eine nach der anderen zu Rolf zurückkehrten. Er schmetterte sie ins rotglühende Herz des Feuers, wo mit ihnen krachend rote Kohlestückchen aufstoben.
    Rolf legte die Hände auf die Rückenlehne von Angelines Stuhl. »Es wird spät, Kinder«, sagte er. »Wir haben morgen einen langen, scharfen Ritt vor uns, und ihr braucht euren Schlaf. Nehmt euch eine Kerze mit, und macht euch auf den Weg in euer einsames Bett.«
    Sie blieben starr wie Statuen und blickten einander finster an. Von einer Kerze, die zur Tischkante gerollt war, tropfte leise und stetig Wachs auf den Boden. Das Feuer knisterte. Einer zeigte plötzlich ein bedauerndes Grinsen. Noch einer der Männer lächelte. Dröhnendes Gelächter von Gustav. Kopfschüttelnd klopften sich die Männer auf die Schultern, bliesen auf ihre Handflächen, die mit Brandblasen bedeckt waren, drehten umgekippte Gläser um und setzten sie hoffnungsvoll an die Lippen. Dann befolgten die Männer der Leibwache den versteckten Befehl.
    Alles ging so schnell, daß die Schritte der Männer auf der Treppe schon verklangen, als die letzte blaue

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