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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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Versorgung meiner Verletzungen für Euch an Reiz verloren?«
    Seine Stimme war klar und offen. Warum vermutete sie plötzlich hinter seinen Worten eine versteckte Drohung? Sie spürte sie ganz deutlich. Es kostete sie unvorstellbare Überwindung, die wenigen Schritte auf ihn zuzugehen, die sie noch trennten.
    Sie nahm die Dose in die Hand und öffnete sie. Die Salbe war zartrosa und roch ein wenig nach Rosenöl.
    Sie mied Rolfs Blick, konzentrierte sich ganz auf ihre Aufgabe und steckte den Finger in die Creme. Sie warf einen Blick auf sein unbewegtes Gesicht und strich, einem Impuls gehorchend, das Medikament auf den ersten der roten Kratzer, die sie ihm beigebracht hatte. Rolf rührte sich nicht, doch sie merkte, wie sich seine Gesichtsmuskeln unter ihren Händen strafften. Eine ihrer Haarsträhnen löste sich und streifte ihn am Arm. Mit einem Ruck warf sie sie zurück. Wieder tauchte sie den Finger in die Salbe und trug sie auf die nächste Wunde auf, wo ihre Nägel ihm die Haut aufgerissen hatten. In merkwürdiger Reue folgte sie der Spur mit sanftem Streichen hinab zum Hals.
    Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit den Verbrennungen an den Händen zu und versah sie mit einer dicken Schicht Salbe. Sie betrachtete die Schwielen auf Handflächen und Fingern, die harten, zerfurchten Hände eines Menschen, der seine Muskeln gebraucht und dem körperliche Arbeit nicht fremd war. Die Schwielen paßten gar nicht zu dem Bild vom Prasser und Säufer, das sie sich von ihm gemacht hatte. Glücklicherweise hatten sie schlimmere Verbrennungen verhindert. In der Mitte der Handfläche und zwischen Daumen und Zeigefinger glühten allerdings zornige rote Blasen. Mit größter Behutsamkeit band sie die Leinenstreifen darum und befestigte den Verband mit einem Knoten auf den Handrücken.
    Sie schloß die Salbenbüchse mit ausdrucksloser Miene und wollte sich entfernen. Aber er schob den Stuhl zurück und stand auf. Er faßte sie um die Schultern. Sein Griff war fest, aber nicht so fest, daß sie sich ihm nicht hätte entwinden können. Der Versuch hätte ihm allerdings arge Schmerzen bereitet. Angeline stand ganz still und verhielt den Atem. Nur langsam hob sie die Lider. In den graugrünen Tiefen ihrer Augen stand zornige Verletzlichkeit.
    »Ich hatte also recht«, sagte er nachdenklich. »Wie sehr man Euch auch kränkt, Ihr würdet niemandem absichtlich weh tun. Ihr habt der Versuchung widerstanden, meine Verbrennungen abzutasten, obwohl Ihr reichlich Gelegenheit hattet. Die Frage ist nur, ob ich, nachdem ich so viel Zartgefühl bei Euch entdeckt habe, die Willenskraft finde, es nicht auszunutzen. Ich fürchte, die Antwort lautet nein.«
    Er zog sie an sich und senkte die Lippen auf ihren Mund. In seinen blauen Augen stand Spott, sowohl über sich als auch über sie. Sein Kuß schmeckte nach Weinbrand und Begehren, und nach etwas anderem - der blinden Sehnsucht nach Ablenkung von einer furchtbaren Erinnerung. Seine Arme gaben Wärme und Geborgenheit; dieses Gefühl und sein magerer, harter Körper machten sie willenlos. Sein Mund strich über ihre Wangen und brannte am Kinn entlang; Rolf schob das kastanienrote Haar beiseite und drückte die Lippen auf den sanft gebogenen Hals. Ihr Mund öffnete sich seufzend. Sie lehnte sich an ihn und überließ sich seiner Umarmung. Er streichelte sie sacht. Federleicht und erregend begann seine Hand ihren Körper zu erkunden. Unter dem Ansturm aufwallender Erregung schwanden ihr die Sinne. Sie merkte kaum, wie er sie aufhob und ins Bett brachte. Jedenfalls leistete sie keinen Widerstand.
    Am zweiten Tag von Angelines Gefangenschaft wechselte die Wache. Diesmal blieb Oskar zurück, während die anderen die Straßen nach Claire absuchten. Er schlug einige Akkorde auf seiner Gitarre und spielte hin und wieder eine sanfte, melancholische Melodie. Dennoch bewachte er sie viel offensichtlicher als Gustav. Er wartete bereits vor dem Schlafzimmer auf sie. Als die anderen gegangen waren, setzte er sich auf die oberste Treppenstufe, um sie - aus Gewissenhaftigkeit oder weil er Befehl dazu hatte - nach unten zu eskortieren, und wich nicht von ihrer Seite. Als die strahlende Morgensonne endlich durch den Nebel brach, schlug Angeline einen Spaziergang vor. Klaglos ging er neben ihr her, war dabei aber immer auf der Hut.
    Während dieses Spaziergangs überlegte Angeline erneut, ob sie einen Fluchtversuch unternehmen sollte. Wenn sie bei hellem Tag davonrannte, fing Oskar sie bestimmt bald wieder ein; wenn sie

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