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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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sich unter einem Vorwand in die Büsche schlug, bestand er - das jedenfalls traute sie ihm durchaus zu - womöglich darauf, sie zu begleiten, obwohl er dabei sicher erröten würde.
    Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder war Oskar das jüngste Mitglied der Garde. Gespräche waren ihm wohl nicht besonders wichtig, denn er antwortete meist einsilbig auf ihre gelegentlichen Bemerkungen, bis Angeline beim Dahinschlendern zufällig auf die Pflanzen ihrer Heimat zu sprechen kam, als eine Fuchsrebe sich über ihren Weg rankte. Sein Interesse war geweckt, und die Fragen sprudelten nur so aus ihm heraus. Wann in diesem Klima der Wein blühe, wann die Trauben reiften und welche Eigenschaften sie hätten. Sie unterhielten sich über die Lebenseichen, die den Fuhrweg säumten. Oskar staunte, daß sie im Winter grüne Blätter hatten, und wollte wissen, wie alt die Bäume seien und wie hoch sie würden.
    Beim Weitergehen wies ihn Angeline auf Sumpfeichen, Roteichen und Weißeichen, Eschenahorn, Magnolien und Lorbeer hin. Sie zeigte ihm die wilden Azaleen, deren dicke Knospen schon kurz vor der Frühjahrsblüte standen, die grünen Zweige der Heidelbeerbüsche und die Brombeerranken.
    Obwohl sie ihn erfolgreich aus der Reserve gelockt hatte, war Oskar spürbar erleichtert, als sie wieder zum Haus zurückkehrten, wo er sie weniger scharf bewachen mußte.
    Rolf kam früh zurück. Er war allein. Ihm entging nicht, daß er Oskar und Angeline bei einem Gespräch über die Schnepfenjagd unterbrochen hatte und daß der junge Mann fast enttäuscht aussah, als er abgelöst wurde. Rolf schickte ihn mit einem Auftrag weg und war dabei ziemlich kurz angebunden. Ein wenig Gereiztheit lauerte in seinen Augen, als er Oskar mit anmutiger Verbeugung und schüchternem Lächeln Abschied nehmen sah.
    Rolf verlor kein Wort darüber zu Angeline, und doch fühlte sie sich durch die Art, wie er sie nach oben komplimentierte, nachdem er für sich Sherry und für sie Tee bestellt hatte, mehr wie eine Gefangene als je zuvor seit den ersten Stunden ihrer Entführung.
    Das Tageslicht schwand, und die kurze Dämmerung brach herein. Wolken brauten sich zusammen. Rolf war seinen Männern vorausgeeilt, um sich seiner Korrespondenz zu widmen. Neben ihm die
    Sherrykaraffe, vor ihm ein Armleuchter, so saß er am Sekretär, hielt die spitze Gänsefeder in seiner Hand, die seit dem Frühstück nicht mehr verbunden war, und ließ sie über das Pergament fliegen.
    Angeline saß in einem Stuhl am Kamin, trank Tee und knabberte an einem Stück Korinthenkuchen. Ab und zu warf sie dem Prinzen einen Blick zu.
    Dann trat sie ans Fenster und starrte ins lavendelblaue Zwielicht. Was Claire jetzt wohl tat? Ob sie wußte, was mit ihrer Kusine geschehen war? Ob es sie kümmerte? Angeline zweifelte daran.
    Hinter sich hörte sie ein leises Geräusch und drehte sich um. Rolf hatte die Ellbogen aufgestützt und fuhr sich mit der Gänsefeder über die Fingerkuppen. Seine türkisblauen Augen betrachteten Angeline mit einem prüfenden Blick, und sie wurde unruhig.
    Damit sie nicht den Mut verlor, fragte sie ihn, ohne noch lange nachzudenken: »Wie lange wollt Ihr mich noch hierbehalten?«
    Er zögerte. »Bis das Orakel spricht.«
    »Ich kann Euch nicht sagen, was Ihr wissen wollt.«
    »Dann«, erwiderte er und entzog ihr demonstrativ seine Aufmerksamkeit, »habt Ihr Euch selbst in eine Sackgasse hineinmanövriert. Der Schlüssel zur Freiheit befindet sich in Euren Händen. Benützt ihn oder laßt es sein, ganz wie Ihr wünscht.«
    Diese glatte selbstherrliche Abfuhr brachte ihr Blut in Wallung. Sie ballte die Hände zu Fäusten und grub die Nägel in die Handflächen, um nicht die Beherrschung zu verlieren. »Wenn ich schon dableiben muß, gibt es wenigstens Bücher hier, damit ich mir die Zeit vertreiben kann?«
    »Nach meinem Eindruck von Monsieur de la Chaise halte ich das eher für unwahrscheinlich.«
    »Ihr hattet natürlich auch keine Zeit, so etwas Banales mitzunehmen.«
    »Nur eine lateinische Abhandlung über die Feldzüge Alexanders, ein botanisches Werk über das Amazonasgebiet auf deutsch und ein Bändchen in Sanskrit mit schönen, wenn auch etwas gewagten Gedichten. Wenn Ihr eine dieser Sprachen versteht, dürft Ihr Euch gerne meiner Bibliothek bedienen.« »Danke«, erwiderte sie trocken. »Alexanders Feldzüge sollten mich ein paar Stunden unterhalten.«
    Das aufflammende Interesse in seinen Augen war ihr eine Genugtuung, ebenso sein Wink zum Schrank. Sie machte jedoch von

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