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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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dem so beiläufig gewährten Privileg keinen Gebrauch.
    »Ich möchte Eure Aufmerksamkeit noch auf eine andere Banalität richten. Ich kann nicht tagelang dasselbe Kleid anziehen.«
    Ohne aufzusehen, erwiderte er: »Sarus wird Eure Sachen waschen.«
    »Ich weiß, und er bemüht sich sehr, aber es ist schon zerfetzt und wird bald ganz auseinanderfallen.«
    »Die Lösung liegt auf der Hand.«
    »Das finde ich nicht.«
    »Ich habe Euch meine Bibliothek zur Verfügung gestellt. Ich gewähre Euch auch Zugang zu meinem Kleiderschrank, den Ihr ohnehin schon geplündert habt. Was wollt Ihr mehr?«
    »Euren...« fing sie an und sah an dem Kasack hinunter, den sie trug. »Sarus hat mir das gebracht. Ich dachte, es sei von ihm.«
    »Aber nein. Mit etwas Draht und ein paar Zaunpfählen könnte Sarus aus einem seiner Mäntel eine Kuhweide machen.«
    Mit zitternden Fingern nestelte sie am Knoten ihrer Schärpe. »Ich kann das nicht annehmen.«
    »Nicht?« Er neigte den Kopf, und seine Augen strahlten vor Heiterkeit. »Die Alternative wäre interessant.« Als sie zögerte, fuhr er fort: »Ich hatte schon an Nacktheit gedacht, um Euch während meiner Abwesenheit zum Bleiben zu zwingen.«
    »Was habt Ihr?« rief sie zornig aus.
    »Na ja, ich gab die Idee auf. Sie ist einfach zu unpraktisch. Zum einen schon wegen der Witterung; eine gesunde Gefangene macht weniger Ärger als eine, die sich eine Krankheit holt - zum Beispiel die Grippe. Zum anderen wären meine Männer zu großen Strapazen ausgesetzt, wenn ihnen Euer Zustand bekannt wäre. Schon die bloße Tatsache, daß Ihr hier seid und Euch mit süßem Lächeln unter ihnen bewegt, gerade außerhalb ihrer Reichweite, wenn auch nicht meiner, belastet sie. Sie noch mehr auf die Folter zu spannen, wäre gleichbedeutend mit einer Aufforderung zur Meuterei.«
    Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ich glaube kaum, daß ein Kasack als ausreichender Schutz betrachtet werden kann. Soweit ich inzwischen weiß, werden die niedrigen Instinkte von Männern schon durch weit weniger geweckt.«
    »Das ist richtig«, antwortete er, und in einer einzigen fließenden Bewegung stand er auf und trat auf sie zu. »Eine Andeutung, nur der Gedanke an eine nackte Frau kann genügen.«
    Sie wußte nicht, was er getan hätte, wenn nicht die Silhouetten zweier Reiter seine Aufmerksamkeit erregt hätten, als er ans Fenster trat. Sie tauchten aus dem Schatten der Bäume, und er erkannte sie auf der Stelle. Er packte Angeline am Arm und riß sie vom Fenster weg, bevor sie Zeit hatte, überhaupt zu reagieren, fast noch bevor ihr klar wurde, daß auch sie die Reiter kannte.
    Der eine war Meyer, der von seinem Ausritt zurückkehrte. Der andere war Andre Delacroix.

6
    Alle Heiterkeit war aus Rolfs Miene verschwunden, als er jetzt finster auf Angeline hinabblickte und murmelte: »Ein Schrei, ein Laut, ein Versuch, seine Aufmerksamkeit auf Euch zu ziehen, und ihr könnt ihn mit Lilien in den Händen auf die Bahre legen. Verstanden?«
    In ihren Augen blinkten kupferne Pünktchen. Sie sah ihm trotzig ins Gesicht. Kein Anzeichen verriet, ob er jemals eine andere Autorität oder irgendein Argument anerkennen würde außer dem eigenen unerschütterlichen Willen. »Ja«, hauchte sie kaum hörbar.
    Er starrte einen Augenblick auf sie hinunter und verließ dann unvermittelt das Zimmer. Sie hörte ihn unten nach Sarus rufen. Sollte sich der Diener vor der Tür postieren, damit gesichert war, daß sie sich still verhielt, oder sollte er bei der Abwehr des Eindringlings helfen? Welche Chance hatte Andre gegen alle drei, den Prinzen, Meyer und Sarus?
    Händeringend stand Angeline mitten im Zimmer. Warum war
    Andre gekommen? Hatte Tante Berthe erraten, wo sie war, und ihn hergeschickt? Oder war er aus eigenem Antrieb gekommen, weil die Anwesenheit des Prinzen mit ihrem Verschwinden Hand in Hand ging? Was geschah nun mit ihm? Würde man auch ihn gefangenhalten wie sie, bis Rolf entweder hatte, was er wollte, oder die Suche aufgab? Oder schätzte er ihn als zu große Gefahr ein und tötete ihn unabhängig von ihrem Verhalten?
    Auf Zehenspitzen schlich sie sich zur Tür, um zu lauschen. Die Polsterung war jedoch so dick und die Wand so massiv, daß sie nichts hören konnte. Langsam und verstohlen drehte sie den Knauf und öffnete die Tür einen winzigen Spalt.
    Stimmen drangen an ihr Ohr, eine höfliche Begrüßung, Lachen und Gläserklingen. Sie hätte sich Andres wegen nicht den Kopf zerbrechen müssen. Er war keineswegs

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