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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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Gustav erschien auf der Schwelle und streifte sich im Laufen die Hosenträger über die Schultern. »Um Gottes willen!« rief er, als er im dunklen Flur den Feuerschein wahrnahm. »Und ich dachte schon, es riecht doch nach Rauch.«
    Angeline rief ihm zu: »Rolf... ich kann ihn nicht wachkriegen!«
    Im nächsten Moment war der Korridor voll von fluchenden Männern und kreischenden, schimpfenden Frauen. Die Garde stürzte in den Raum, wo ihr Anführer lag. Ohne Rücksicht auf die Gefahr rissen sie mit bloßen Händen die Bettvorhänge herunter, traten die Flammen aus, schlugen auf sie ein und erstickten sie mit schnell zusammengeraffen Kissen und Decken. Die Luft füllte sich mit fliegender Asche und dem brenzligen Geruch angesengten Stoffs. Leopold und Oskar trugen Rolf auf die andere Seite des Zimmers und legten ihn dort auf den Boden. Als sie zurücktraten, schlug er mit außerordentlicher Mühe die Augen auf. Mit stecknadelgroßen Pupillen richtete er den Blick auf Gustav und Meyer, die, von Rauch und glühendem Funkenregen umgeben, auf der Matratze standen und auf eine hartnäckig glimmende Stelle am Baldachin einschlugen. Es war schwer zu sagen, ob Rolf die Situation durchschaute, aber er begrüßte sie auf seine Art.
    »Was für eine hübsche Verwirrung«, sagte er mit schleppender Stimme, »die Hölle ist offenbar auch nicht besser organisiert als unsere zum Heulen schöne Mutter Erde.«
    Die Erleichterung, die sich im Raum ausbreitete, war mit Händen greifbar. Sarus kniete neben seinem Herrn. Unter der gelben Haut war sein Gesicht bleich. Oskar warf Leopold und seinem Bruder Oswald ein gequältes Lächeln zu, der weiter damit beschäftigt war, Fetzen brennenden Stoffs von der Wand zu kratzen. »Gott sei
    Dank«, knurrte Meyer, und Gustav seufzte, sprang vom Bett und baute sich vor dem auf dem Boden liegenden Prinzen auf.
    »Was sollte denn das?« fragte der ergraute Veteran. »Wolltet Ihr das Haus über unseren Köpfen anzünden, oder war Euch nur ein wenig kühl?«
    Rolf schloß die Augen. »Schreit nicht so. Ich sammle bereits Entschuldigungen für Monsieur de la Chaise wegen des Schadens, den sein Eigentum bisher genommen hat, aber soweit ich mich entsinnen kann, geht diese Eskapade nicht zu meinen Lasten.«
    »Ich habe Euch schon einiges mehr als heute nacht schlucken sehen, und das Ergebnis war nicht einmal ein Gähnen. Wie kommt es, daß Ihr Euch heute beinahe selbst getötet hättet?«
    »Bist du enttäuscht? Das ist nicht zu ändern, aber ich weiß des Rätsels Lösung auch nicht.«
    Gustav runzelte die Stirn und ließ sich neben Rolf nieder. Er zog eines seiner Lider hoch und begutachtete die winzige Pupille in dem Meer von strahlendem Blau.
    »Sie arbeiten unabhängig voneinander, aber auch gemeinsam«, bemerkte der Patient und erbrachte auch gleich den Beweis, indem er beide Augen offenhielt, während eine Braue fragend zuckte.
    »Drogen«, sagte Gustav. »Ich tippe auf die Frucht des türkischen Mohns.«
    Den Mann am Fußboden schüttelte ein stilles Lachen. »Schwächend und dekadent. Ich nehme nicht an, daß ich mich übergeben muß, wenn ich etwas trinke, aber ich würde die Probe aufs Exempel gern machen. Natürlich nichts mit Alkohol.«
    »Ihr habt Euch doch nicht etwa selbst...« fing Gustav an und schwieg dann plötzlich.
    »Wenn du so etwas fragst«, erwiderte Rolf und schloß die Augen, »dann habe ich etwas falsch gemacht. Vielleicht war ich zu freigebig mit der Frucht des Weinstocks?«
    Sarus erhob sich und schlüpfte aus dem Zimmer. Angeline starrte zur Tür, durch die er verschwunden war und die sich nun langsam mit bleichgesichtigen Frauen füllte, deren Augen jetzt, wo sie nichts mehr zu befürchten hatten, vor Neugier weit aufgerissen waren. Die Frage blieb offen, wer Rolf die Droge ins Essen oder ins Getränk ge-mischt haben konnte, und warum er oder sie diesen Weg gewählt hatte, statt ihn zu vergiften? Hatte diese Person Rolf durch die Kombination von Wein und Drogen töten wollen und zu anderen Maßnahmen gegriffen, als das nicht funktionierte? Oder hatte das Feuer einen Unfall vortäuschen sollen, damit die Droge ein Geheimnis blieb, das Rolf mit ins Grab nahm?
    Oswald stützte sich mit dem Fuß an der Wand ab und räusperte sich. »Unterstellt Ihr, daß jemand ins Haus eingedrungen ist, Rolf eine Prise Opium ins Essen gemengt und sich versteckt gehalten hat, bis alles schlief, und dann hier heraufkam und sein Bett angezündet hat? Das ist unmöglich. Wir alle waren doch die

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