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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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in Uniform.
    Als die Herren, die das Gähnen kaum unterdrücken konnten und heimlich ihre Uniformjacken zurechtrückten, sich zu einer Art Kriegsgericht zusammengefunden hatten, ließ Rolf die Frauen nacheinander zur Befragung rufen. Diese Verhöre waren so zermürbend, daß die resoluten und verhärteten Damen entweder stumm und mit blassen Lippen oder weinend wieder herauskamen. Das junge Mädchen war völlig am Boden zerstört, und Oskar mußte sie stützen, als sie den Raum verließ, wobei sie sich die Hände vors Gesicht hielt, um die Tränen wegzuwischen. Als es Zeit zum Aufbruch war, hörte Angeline, wie Oskar das Mädchen zum Bleiben im Jagdschloß drängte, aber es war nicht dazu zu bewegen. Kurz vor Mittag bestieg es mit den anderen Damen die Kalesche, die Monsieur de la Chaise für ihre Rückreise bereitgestellt hatte. Als die Kutsche abfuhr, sah es sich nicht einmal mehr um.
    Am Nachmittag wurde eine Beratung abgehalten, von der Angeline ausgeschlossen war. Vorher wurde sie höflich in das Schlafzimmer komplimentiert, das sie mit Rolf teilte, und schlug dort die Zeit tot, indem sie Sarus half, Ordnung zu machen. Sie wuschen die Wände ab, wischten die Möbel, polierten den Holzrahmen des Bettes und legten neue Matratzen und Decken auf. Immer noch hielt sich der Geruch nach Rauch und verband sich nach getaner Arbeit mit dem Duft von Seife und Politur aus Zitronenöl. Der Raum war wieder benutzbar. Sarus ließ Angeline allein und ging mit einer Verneigung hinaus, um sich um das Abendessen zu kümmern.
    Später hörte Angeline erstmals Hufgetrappel auf der Auffahrt und sah erst einen, dann einen zweiten Gardisten kommen und gehen. Die Natur ihrer Aufträge konnte sie nur ahnen. Offenbar war Rolf die Warterei leid und versuchte noch einmal aktiv, etwas über Claires Versteck zu erfahren. Der Grund lag auf der Hand: Der Vorfall der vergangenen Nacht hatte ihn anscheinend aufgerüttelt, bestanden doch Parallelen zum Tod seines Bruders. Noch ein ruthenischer Thronfolger, der im Bett keines natürlichen Todes starb -das wäre zuviel.
    Obwohl sie beschlossen hatte, nicht nachzugrübeln, ging Angeline das Feuer den ganzen Tag nicht aus dem Kopf. Mochte Oskar einwenden, was er wollte, es war kein Unfall, das wußte sie. Sie selbst hatte die Kerze auf dem Tischchen neben dem Bett ausgeblasen, bevor sie sich ins Ankleidezimmer zurückgezogen hatte. Was blieb dann noch? Unter den Umständen war es ganz plausibel, daß der Schuldige ein Außenstehender war, aber um sich eben diese Umstände zunutze zu machen, mußte sich der Täter entweder ausgezeichnet ausgekannt haben oder ein präziser Beobachter sein. Auch dann wäre er ein hohes Risiko eingegangen. Die Vermutung, die Gustav vor einigen Tagen geäußert hatte, leuchtete ihr viel mehr ein: daß der Attentäter zu Rolfs garde du corps gehörte.
    Doch warum sich darüber den Kopf zerbrechen ? Sie sollte sich eher um sich und die unhaltbare Lage Sorgen machen, in die Rolf sie gebracht hatte. Sie sollte an ihre eigene Zukunft denken und überlegen, was sie gegen Rolfs Drohung, sie zu verschleppen, unternehmen konnte, sollte er sie wahrmachen. Sie mußte fliehen. Sie hatte keine Ahnung, wie das zu bewerkstelligen war, aber sie konnte nicht einfach die Hände in den Schoß legen und ihn nach Gutdünken mit sich umspringen lassen. So ein Leben führten auch die Frauen, die letzte Nacht zur Verfügung gestanden hatten, ein ehrloses Wanderleben in Schande, bei dem sie jeden Mann ihren Herrn nannten und niemandem gehörten, nicht einmal sich selbst.
    Die Dämmerung brach früh herein, Wolken ballten sich zusammen, und ein Nebel, der jeden Augenblick in Regen umschlagen konnte, hüllte die Bäume ein. Angeline badete vor dem Abendessen und wusch sich den Rauch aus den Haaren. Sie kämmte den langen, feuchten, seidigen Wirrwarr und zog sich wieder das Musselinkleid und die Bluse an, die Sarus ihr am Morgen frisch gewaschen und gebügelt gebracht hatte. Sie saß am Feuer und trocknete die langen Flechten, indem sie sie sacht zwischen den Fingern rubbelte, als Rolf hereinkam.
    Er blieb stehen und betrachtete sie durchdringend, dann schloß er die Tür und ging mit entschiedenen Schritten auf sie zu. Fast beiläufig, als dächte er an etwas anderes, sagte er: »Vielleicht wünscht Ihr Euch als Belohnung für heute nacht ein Kleid?«
    »Nein, danke.«
    »Vor nicht allzu langer Zeit habt Ihr Euch über den Mangel an Abwechslung in Eurer Garderobe beschwert.«
    Angeline ließ den

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