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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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zuzutrauen. Im Augenblick mußte sie sich nach seinen Befehlen richten, aber das würde nicht immer so bleiben.
    Ihre Haare waren fast trocken. Sie bürstete sie noch einmal durch, warf sie zurück, verließ den Raum und ging zur Treppe.
    Beim Hinuntergehen runzelte Angeline ein wenig die Stirn, denn in Gedanken war sie noch bei dem, was Rolf gesagt hatte. Ihr Blick fiel auf die Eichentreppe und die Wandverkleidung aus faux bois. Der Name paßte, denn die kunstvolle Bemalung des »falschen Holzes« ließ die Wände wie Marmor wirken. Ihre Hand ruhte noch auf dem Endpfosten am Fuß der Treppe, und sie sah sich um. Die Vordertür stand einen Spaltbreit offen, als sei gerade jemand hereingeschlüpft, und fast ohne nachzudenken ging Angeline hin, um sie zu schließen. Sie legte die Hand auf die Klinke, blieb dann aber stehen und sah in die nebelverschleierte Nacht hinaus.
    An dem schmiedeeisernen Pfahl vor der Eingangstreppe des Hauses war ein gesatteltes Pferd angebunden. Es stampfte ungeduldig mit einem Hinterhuf. Angeline starrte es mit brennenden Augen an und spürte den schmerzhaften Drang, durch die Tür und die Treppe hinunterzulaufen, sich in den Sattel zu schwingen und davonzugaloppieren. Sie wandte sich vorsichtig um und schaute in den Saal, wo der Tisch mit schimmerndem Porzellan, Kristallglas und Besteck für das Diner gedeckt war. Kein Mensch war zu sehen, und auch die ägyptischen Sofas vor dem niedergebrannten Feuer waren leer. Die anderen mußten bei Rolf und der Beratung sein, von der er gesprochen hatte, und Sarus hielt sich bestimmt bei der Anrichte auf, um den ersten Gang vorzubereiten. Angeline lauschte aufmerksam, aber von oben war nichts als Stimmengemurmel zu hören, und von der anderen Seite der Halle, wo sie zu Abend essen sollten, nur das leise Klappern von Geschirr. So unglaublich es auch schien, sie war allein.
    Angeline schlüpfte durch die Tür und schloß sie mit äußerster Behutsamkeit hinter sich, dann trat sie auf Zehenspitzen über die Schwelle und schlich sich die Stufen hinunter. So sehr zitterten ihr die Finger, daß es ziemlich lange dauerte, bis sie den Knoten aufgeknüpft hatte, mit dem die Zügel am Pfosten befestigt waren. Das Pferd war ein Wallach mit seidenweißem Fell und großen, intelligenten Augen. Sie klopfte ihm den Hals, flüsterte begütigend auf ihn ein und führte ihn zu einem Klotz, um aufzusteigen. Sie betete, er möge schon Erfahrungen mit Röcken gesammelt haben, stellte sich auf den Holzklotz, stieg in den Steigbügel und schwang sich in den Sattel. Der Wallach schnaubte und drehte den Kopf nach ihr um, als wolle er sie höflich etwas fragen, machte aber keinerlei Anstalten, sie abzuwerfen. Sie schnalzte leise mit der Zunge und ließ ihn im Schritt den Weg entlanggehen.
    Die Versuchung, den Wallach zu einem Galopp anzutreiben, war überwältigend groß, aber Angeline widerstand ihr. Je länger es dauerte, bis Alarm gegeben wurde, desto größer war ihre Chance zu entkommen. Sie war zwar aus dem Haus geflohen und hatte ein
    Pferd unter sich, aber sie machte sich keine Illusionen; sie konnte immer noch eingeholt werden. Sie sah über die Schulter zurück zum Jagdschlößchen. Die Fenster glänzten im Licht der Kerzen und verliehen dem Haus ein wachsames Aussehen, obwohl sich hinter den sanft schimmernden Rechtecken nichts bewegte. Angeline biß die Zähne zusammen, sah nach vorn und hielt einen ruhigen, stetigen Schritt.
    Ihre Erleichterung war groß, als sie das Pferd traben lassen konnte. Mit jedem Schritt, den sie zwischen sich und die Männer brachte, kam Angeline der Freiheit näher. Die anderen mußten erst ihre Pferde satteln, um sie zu verfolgen, und das kostete wertvolle Zeit. Obwohl sie tollkühne und verwegene Reiter waren, verringerte sich ihre Chance, sie wieder einzufangen. Der Trab war eine Gangart, die der Wallach meilenweit durchhalten konnte, und es waren wirklich Meilen zurückzulegen. Erst einmal näherte sich Angeline der Plantage der Familie de la Chaise und war sehr versucht, sich in diese Richtung zu wenden. Je eher sie auf Menschen traf, denen sie ihre Geschichte erzählen und die ihr helfen konnten, desto besser. Sie dachte an Claire, die vielleicht in diesem Augenblick im Internat zu Bett ging und sich in Sicherheit wähnte. Sie mußte sie warnen. Angeline ritt am Anwesen der de la Chaises vorbei und hinüber zur Landstraße.
    Als sie sie erreicht und die richtige Richtung eingeschlagen hatte, ließ sie das Pferd nach seinem Willen

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