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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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ausgreifen. In dieser dunklen Nacht war die Chaussee schwer zu erkennen, da vom Fluß Nebel aufzog, und es war nicht leicht, den Fahrspuren zu folgen, die die Kutschenräder hinterlassen hatten. Dem wackeren Schimmel gelang dies instinktiv. Die Schatten der Bäume flogen schneller und schneller vorbei. Spürte das Pferd ihre Unruhe, oder hielt Angeline nur die Zügel fester? Angeline wußte es nicht. In Gedanken kehrte sie zum Jagdschloß zurück und fragte sich, ob man sie wohl schon vermißt hatte, ob Rolf ihr selbst nachgeritten käme oder ob er ihr nur seine Leute nachsandte, um sie wieder einzufangen.
    Wenig später vermeinte sie, hinter sich das Klappern von Hufen zu vernehmen, aber bei dem Getrappel der eigenen Flucht, dem Rauschen des Windes, dem rasenden Puls in ihren Ohren konnte sie dessen nicht sicher sein. Als sie nichts mehr davon hörte, verwarf sie den Gedanken. Es war nur ein Echo, das von überhängenden Bäumen zurückhallte.
    Sie war frei, frei von Rolf, frei, zu ihrer Tante zurückzukehren und ihr geregeltes Leben wieder aufzunehmen. Sie war entflohen, hatte die hochnäsige Leibgarde mitsamt ihrem Anführer an der Nase herumgeführt und war ihnen auf lächerlich einfache Weise entwischt. Triumph mischte sich mit wilder Freude und durchströmte sie. Sie hatten sich blenden lassen von ihrer Sanftmut und ihrer höflichen Konversation, weil sie keine hysterischen Anfälle erlitten hatte. Vielleicht hatten sie sich sogar eingebildet, Angeline wäre glücklich als Rolfs Mätresse. Nachdem sie ihm gestern nacht das Leben gerettet hatte, hatte man fernere Wachsamkeit wohl für überflüssig gehalten. Die Männer waren nachlässig geworden, und das kam dabei heraus.
    Doch als sich die Straße unter den Hufen ihres Pferdes dahinwand, wurde Angeline immer unbehaglicher zumute. Rolf hatte keineswegs geglaubt, daß sie sich bereits in ihr Schicksal ergeben hatte; seine Ironie, seine ganze Haltung, die Art, wie er sie gemustert hatte, wenn er meinte, daß sie es nicht bemerkte, deuteten auf das Gegenteil hin. Seine Männer wurden vielleicht leichtsinnig, er aber nicht. Solche Fehler konnte sich ein Anführer nicht leisten. Und doch hatte er Angeline allein nach unten geschickt, obwohl er wußte, daß seine Männer nicht da waren, und sich hätte denken können, daß Sarus mit den Vorbereitungen zum Abendessen beschäftigt war.
    Es stimmte: Die Flucht war lächerlich einfach gewesen. Der leere Saal, die offene Tür, das fix und fertig gesattelte Pferd; zu einfach, viel zu einfach. Sie war entkommen, das wußte sie mit einem schlagartigen Blitz bitterer Erkenntnis, weil Rolf es so gewollt hatte: Er hatte sogar mit beißendem Spott und leisen Drohungen dafür gesorgt, daß sie dazu allen Grund hatte. Um ihr ein noch verzweifelteres Motiv zu liefern, hatte er ihr die Neuigkeit von Claire mitgeteilt. Er wußte, Angeline würde ihre Kusine warnen wollen, sobald sich ihr Gelegenheit dazu bot.
    In der ersten Aufregung über ihre Flucht in die Freiheit und in der
    Anstrengung des Ritts hatte Angeline kaum die Kälte durch den dünnen Musselinstoff gespürt. Jetzt fror sie in dieser Nebelnacht und fühlte, wie sich die Feuchtigkeit in ihren Haaren festsetzte und durch ihre Kleider drang, so daß sie ihr am Leib klebten und wie Eiskristalle auf ihrer Haut prickelten, um sie zu durchbohren.
    Warum? Warum hatte man sie davonreiten lassen? Es war leicht zu erraten. Rolf hatte genausowenig wie die anderen eine Ahnung, wo Claire war. In der nachmittäglichen Beratung war sorgfältig ein Plan geschmiedet worden, der einzig und allein den Zweck hatte, sie, Angeline, dazu zu veranlassen, daß sie die anderen zu Claire führte.
    So sehr war sie in ihre Gedanken vertieft, und so versteckt lag der Waldweg zur Klosterschule, daß sie beinahe daran vorbeigeritten wäre. Sie zügelte das Pferd und überlegte alles einen Moment lang noch einmal voller Wut. Wenn sie recht hatte, war Rolf mit seiner Garde dicht hinter ihr, hatte vielleicht sogar vom Gros der Truppe einen Kundschafter entsandt, der sie in diesem Augenblick beobachtete. Das letzte, was sie wollte, war, sie zu Claire zu bringen. Ihr blieb nur das Haus der de Buys und ihre Tante.
    Die Entscheidung war schnell getroffen. Angeline spornte das Pferd an und ritt auf die Öffnung des Waldpfads zu, die zwischen den Bäumen kaum zu erkennen war. Der Schimmel nahm den Graben mit einem Satz, kämpfte sich die Böschung hinauf und jagte den gebahnten Weg entlang, wo Zweige seine

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