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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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ihrem Wild Ausschau, damit sie nicht an Claire vorüberritten, während sie irgendwo übernachtete.
    Sie trafen auf keine größeren Hindernisse. Die Wege wurden ihnen mit Hilfe von fieberhaftem Charme und einem schimmernden Goldfluß geebnet, die jeden Widerstand dahinschmelzen ließen und alle Türen weit öffneten, sei es von Ställen, Küchen oder Hausapotheken; Männer verbeugten sich, bis sie außer Sicht waren, wobei ihnen das Staunen im Gesicht geschrieben stand. Auch die Tür eines Kleiderschranks wurde Rolf auf diese Weise aufgetan. Er taxierte eine junge Mutter, daß sie, obwohl sie hochschwanger war, stotterte und errötete, und handelte ihr einen Teil ihrer Garderobe ab, die sie, falls überhaupt, so doch in absehbarer Zeit nicht tragen konnte.
    Zu den Sachen gehörten ein lila-grau gemustertes Morgenkleid aus Faille, ein Schal mit seidenen Fransen, einige Unterröcke und ein Reitanzug aus dunkelgrünem, fast schwarzem Samt mit einem Zylinder, der von einem schmalen Schleier aus weißem Voile umgeben war. In ihrem Elend achtete Angeline kaum auf die Kleider, die Rolf auf den Sitz gegenüber legte. Sie hatte sich, einen Arm unter den Kopf geschoben, auf dem Sitz zusammengerollt und war nicht einmal munter genug, um sich bei ihm bedanken zu können. Doch je-
    desmal, wenn sie kurz erwachte, fühlte sie sich ein wenig besser, und das Aussteigen aus der Kutsche wurde für sie immer weniger eine Anstrengung, die über ihre Kräfte ging.
    Am Nachmittag des zweiten Tages setzte sie sich für kurze Zeit auf und starrte aus dem Fenster. Bei Einbruch der Dunkelheit konnte sie schon etwas anderes als Suppe und kräftiges Maisbrot zu sich nehmen. Rolf teilte mit ihr die Mahlzeit - es gab Brathuhn, frisch gebackenes Hefebrot und Apfelkuchen -, während die Kutsche den mondbeschienenen Tunnel unter einem Gewölbe aus Zweigskeletten entlangrollte. Kurz darauf murmelte Rolf eine Entschuldigung und verließ den Wagen.
    Im selben Moment stimmte die Garde ein übermütiges und äußerst unanständiges Lied über ein Mädchen aus Prag an, angesichts deren eigentümlichen Vorlieben bei der Wahl ihrer Bettgenossen Angeline die Ohren brannten. Rolf rief etwas dazwischen, und das gepflegte, possierlich schlüpfrige Französisch der Sänger wurde zu Ruthenisch, das sich mit seinen gutturalen Lauten sogar noch obszöner anhörte. Jedenfalls war der Gesang ein wirksames Mittel, um die Stimmung der erschöpften Männer zu heben. Mit Schmeicheleien und Flüchen, mit Schimpfreden und Lob vorangetrieben, hielten die Männer das von Rolf vorgegebene Eiltempo und ritten unermüdlich immer weiter in die Nacht.
    Kurz nach Sonnenaufgang erfuhren sie, daß Claire ihnen nicht viel voraus war. Sie hatte ihren Wagen, der weithin sichtbar mit gesenkten Deichseln vor einem Bauernhaus stand, zurückgelassen und für sich und ihren Kutscher Reitpferde gekauft. Wie sie ihren Vorsprung so lange hatte halten können, und wie es ihr gelungen war, ihren Begleiter zu solcher Anstrengung anzuspornen, wußten sie nicht. Dennoch hofften sie, Claire spätestens am Nachmittag einholen zu können.
    Die Sonne schien hell. Im Lauf des Morgens wurde die Luft immer wärmer, wie es im Januar in Louisiana häufiger vorkommt. Angeline hatte es satt, in der Kutsche hin und her geworfen zu werden. Sie hatte genug von den muffigen Samtbänken, dem Staub, der durch die Ritzen an Türen und Fenstern drang, und vom eintönigen Kreischen der Karosserie über einem der Hinterräder. Draußen lockten Sonne und frische Luft und luden sie ein, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen. Sie nahm daher den samtenen Reitanzug von der gegenüberliegenden Sitzbank und schüttelte ihn aus. Sie wußte, daß mehrere überzählige Pferde da waren. Die zusätzlichen Tiere waren hinten an der Kutsche angebunden, damit die Männer bei Bedarf die Pferde wechseln konnten und sich keines überanstrengte.
    Das Umkleiden stellte Angeline vor ein schwieriges Problem. Sie löste es, indem sie mit dem weiten Morgenkleid und den Unterröcken die Fenster verhängte, ln ihrem Schutz schlüpfte Angeline flink aus dem schäbigen Musselinkleid und der Bluse, die einmal weiß gewesen war, und zog den Reitanzug an. Er paßte, war zwar ein wenig weit in der Taille und spannte über der Büste, aber das war kaum der Rede wert. Zum erstenmal seit Tagen hatte sie das Gefühl, passend gekleidet zu sein. Ein Bad wäre schön gewesen, aber sie wollte nicht kritteln.
    Angeline nahm die anderen Kleidungsstücke

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