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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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nicht in diesem halsbrecherischen Tempo«, erwiderte Angeline. »Oder sie verlassen sich auf die Hilfe ihrer Wirte, der Pflanzer, deren Ländereien an der Straße liegen und die jeden, der vorbeikommt, gastlich aufnehmen.«
    »Vermutlich«, sagte Rolf bedächtig, »hat niemand Grund, sich in diese Wildnis zu wagen, wenn er nicht eine Plantage hier besitzt. Es ist reizvoller, in die andere Richtung zu reisen, nach St. Martinville oder New Orleans.«
    »Wildnis? Das ist schon das zweitemal, daß Ihr dieses Wort gebraucht.«
    »Für mich ist es das«, entgegnete er. »Unser Ziel ist ein Ort mit einem Namen, der, soviel ich weiß, aus irgendeinem Indianerdialekt kommt, Natchitoches...«
    »Eigentlich der Name eines Indianerstammes. Eine der ältesten Ansiedlungen, früher war es ein französisches Fort, und es geht dort ganz kultiviert zu.«
    »Ich bin entzückt, das zu hören.«
    »Und warum Natchitoches?«
    »Der Kutscher Eurer Kusine hat sich nach dem Weg dorthin erkundigt.«
    Die Stadt Natchitoches gehörte durchaus zur Zivilisation. Mehrere riesige Plantagen lagen in der Nähe, doch die Umgebung war nur spärlich besiedelt, und die Straßen dahin lagen einsam. Während der über hundert Jahre ihres Bestehens war man hauptsächlich auf dem Wasserweg dorthin gereist, den Mississippi hinauf bis direkt zu der Stadt, die unmittelbar an seinen Ufern lag. Erst in den letzten zehn Jahren war diese Landstraße gebaut worden. Madame de Buys hatte Verwandte in Natchitoches, doch der Grad von Claires Verzweiflung ließ sich daran ermessen, daß sie bei ihnen Unterschlupf suchte. Wenn sie St. Martinville schon für provinziell hielt, dann lag Natchitoches am Ende der Welt, ein stinkendes Sumpfloch ohne jeden Reiz.
    Die Reise, die sie in solchem Tempo zurücklegten, war nicht ungefährlich. Sie bewegten sich im Grenzgebiet, da seit neuestem Siedler von der Küste im Südosten das Städtchen als Sprungbrett für ihre Eroberung der ausgedehnten Gebiete des spanischen Texas benutzten. Es herrschten Gesetzlosigkeit und rauhe Sitten, wie es für die vorgeschobenen Besiedlungsposten charakteristisch war. Der Ort selbst lag im Herzen eines weiten neutralen Territoriums, das als »Niemandsland« bezeichnet wurde. Es maß an die fünfhunderttausend Quadratmeilen und erstreckte sich entlang des Sabine River in der südwestlichen Ecke des Landes. Dieses Gebiet wurde seit 1806, also seit vierzehn Jahren, sowohl von den Vereinigten Staaten als auch von Spanien beansprucht. Um Zusammenstöße zu vermeiden, die sich zu einem regelrechten Krieg hätten auswachsen können, übte keiner der beiden Staaten die Oberhoheit über diesen schmalen Streifen aus, hier patrouillierten keine Soldaten, wie sie es sonst an den Grenzen taten. Das Land war ein Eldorado für Räuber und Mörder, die Gesetzlosen beider Staaten, die die Gegend unsicher machten und die Siedler ausplünderten, die nach Westen zogen. Auch andere heimliche Geschäfte wurden hier abgewickelt, zum Beispiel der illegale Import von Sklaven und anderer Schmuggelware.
    Alles in allem war es eine unsichere Gegend. Jeder, der sich hineinwagte, tat es auf eigene Gefahr; eine ganze Reihe Menschen waren hier verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Wenn eine Frau dieses Land durchreiste, brauchte sie eine bewaffnete Eskorte, auch wenn sie alt und häßlich war; daß Claire sich praktisch allein in solche Gefahr begeben hatte, war extrem waghalsig von ihr. Es blieb nur zu hoffen, daß Rolf und seine Leute sie einholten, bevor sie weit vorgedrungen war.
    Angeline lag ruhig da, ihre Wange ruhte an Rolfs Brust, und sie spürte, wie sich diese hob und senkte, und hörte das rhythmische Pochen seines Herzschlags. Jede Umdrehung der Räder, jede beschwerliche Meile brachten sie weiter und weiter weg von allem, was sie bisher gekannt hatte: Verwandte, Freunde, Gemeinde, Kirche. Sie war allein mit einem launischen Prinzen, der einen privaten Rachefeldzug führte.

2. Teil

11
    Sie verbrachte zwei Tage in einem rumpelnden, rollenden Alptraum. Weiter ging es, immer weiter. Es wurde nur haltgemacht, wenn es unumgänglich war: um die Pferde zu tränken oder rasten zu lassen, um neue Tiere zu besorgen, ein paar Bissen zu essen oder in dem Gewirr unmarkierter Wege nach dem richtigen zu forschen. Angeline schlief dank der Schlafpulver, die ihr Rolf besorgte, fast die ganze Zeit; wenn überhaupt, ruhten er und seine Männer sich aus, indem sie im Sattel vor sich hin dösten. Jeder von ihnen hielt scharf nach

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