Stromschnellen: Roman (German Edition)
als er durch einen Sonnenstrahl kam: Teller, Gabeln, zwei funkelnde Konservengläser und ein Barren gelbweißer Butter in einer Glasschale. Margo fragte sich, ob sie langsam den Verstand verlor. Warum sonst erschienen ihr Butter und Marmelade wie außerirdische Wunderdinge?
»Tut mir leid, dass es hier wie auf einer Baustelle aussieht«, entschuldigte er sich. »Ich hab mir vorgenommen, alles selbst zu machen, um Geld zu sparen. Ich will lernen, alles selbst zu reparieren und zu bauen. Das ist eins meiner Lebensziele.«
Margo nickte.
»Du bist bestimmt hungrig.« Er streckte ihr die Hand hin, und sie schüttelte sie. »Ich heiße Michael. Michael Appel.« Durch die Betonung der zweiten Silbe klang es wie Appell. »Seit vier Monaten wohne ich hier schon allein, und du bist der erste Mensch aus der Nachbarschaft, der zu mir kommt. Man sollte meinen, am Fluss halten die Leute zusammen.« Er gestikulierte mit dem Pfannenwender. »Du hast mir deinen Namen noch nicht gesagt.«
Fast hätte sie Maggie geantwortet. »Ich heiße Margaret«, sagte sie, und als er damit nicht ganz zufrieden schien, fügte sie hinzu: »Louise.«
»Ein hübscher Name.« Er wiederholte ihn sehnsuchtsvoll: »Margaret Louise.«
So hatte ihre Mutter sie immer genannt – als würde ein Vorname nicht reichen!
»Zwei Vornamen benutzen heute nicht mehr viele«, meinte er lachend.
»Oder auch kurz Margo «, bot sie an.
»Und dein Familienname?«
»Crane, wie Kranich.«
»Margaret Louise Crane. Sehr schön.« Er schob ein paar aufgeschlagene Bücher beiseite und stellte ein Glas Orangensaft und ein halbes Omelett vor sie auf den Tisch. Ein Buch mit einem Büchereiaufkleber trug den Titel Bücherregale selber bauen.
»Danke«, sagte Margo.
»Ich sollte den Tisch nicht so vollkramen«, stellte Michael fest. »Was machst du eigentlich da drüben in dem Häuschen?«
»Ich geh angeln.« Das Omelett schmeckte nach Butter und Käse.
»Ich war noch nie angeln«, gestand er. »Ich weiß nicht mal, wie das geht. Dafür baue ich gerade ein Boot.«
»Angeln ist leicht«, behauptete Margo. Sie hob das Omelett an einer Ecke an und bestaunte die winzigen gleich großen Würfel aus grüner Paprika, Zwiebeln und Champignons. »Meistens sitzt man einfach nur da und wartet.«
»Vielleicht kannst du mir Nachhilfe geben und mir beibringen, was aus diesem Fluss gut schmeckt. Ich weiß nicht mal, was man an den verflixten Haken hängt.«
»Ich nehme Würmer und kleine Fische. Manchmal auch Flusskrebse.« Sie zog die Beine an, damit sich der Hund neben einem ordentlichen Zeitungsstapel unter den Tisch legen konnte.
»Ich arbeite fürs Elektrizitätswerk, darum weiß ich, dass du da drüben keinen Strom hast. Hast du einen Generator? Oder ein Funkgerät?«
Sie schüttelte den Kopf und schob die nackten Füße unter den schweren Hundekörper. Die Stiefel mit den Socken standen neben ihrem Stuhl.
»Ich kann’s nicht fassen, dass du so lebst. Hast du keinen Job? Gehst du nicht zur Schule?«
»Ich bin neunzehn«, schwindelte Margo, als wäre damit alles erklärt. Sie sah über den Fluss zur Hütte. Sie konnte es kaum erwarten, die Munitionspackung aufzureißen und ihre Marlin zu laden, und deshalb hoffte sie inständig, dass Paul nicht aus irgendeinem Grund unters Bett schaute und ihre Sachen fand.
»Das Haus sieht aus wie ein Versteck, wie ein Unterschlupf aus einem Film, in dem sich Verbrecher vor der Polizei verkriechen. Bist du womöglich die Tochter eines Gangsters?« Er zog die Augenbrauen hoch. »Oder seine Braut?«
In Margos Bauch bildete sich ein Knoten. Michael meinte das vermutlich scherzhaft, aber sie hatte trotzdem Angst, sie könnte Schwierigkeiten bekommen, wenn sie seine Fragen beantwortete.
»Du bist nicht sehr gesprächig. Danielle hat wie ein Wasserfall geredet.« Er zeigte mit der Gabel auf Margo. »Trotzdem hat sie es nie für nötig gehalten, mir mitzuteilen, dass sie mit einem sehr guten Freund von mir schläft. Komisch. Er hat es natürlich auch nie erwähnt. Aber sie lieben sich, also ist alles in Butter.«
Margo verschanzte sich hinter ihrem Schweigen. Sie blickte ihm ins Gesicht und sah so lang in seine klaren graugrünen Augen, wie sie es schaffte. Er war einsam, das merkte sie ihm an, vielleicht genauso einsam wie sie. Sie zog die Füße unter dem Hund hervor und schlüpfte in die feuchten Socken und Stiefel. Bevor sie sie zuschnürte, stopfte sie Michaels Jeans zum Schutz gegen die Stechmücken hinein, falls sie eine Weile
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