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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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sie sich nach ihrem Boot. Sie sah sich an ihrem Lagerplatz um, und ihr Blick fiel auf den fertig gepackten Rucksack. Auch der Schlafsack war bereits zusammengerollt und daran festgeschnürt.
    »Kann ich mitkommen?«, fragte sie. Sie stopfte die Jeans in die Stiefel und schnürte sie erneut zu. Das tat sie aus Gewohnheit, obwohl die Stechmücken an diesem Tag dank der leichten Brise nicht so lästig waren wie sonst. »Meine Mutter wohnt in der Nähe von Kalamazoo.«
    »Ich nehme kein Mädchen mit.« Er stand auf und blickte auf sie hinab. »Ich bin ein verheirateter Mann.«
    »Mein Vater ist tot, und ich muss meine Mutter finden.«
    »Das mit deinem Vater tut mir leid. Aber ich hab keine Zeit, einsamen Mädchen bei der Suche nach ihrer Mutter zu helfen.«
    »Ich könnte Ihnen ein paar Pflanzen zeigen, die die Indianer früher gegessen haben. Wasserkresse, Indianer-Knoblauch, wilden Lauch, Hickorynüsse …« Natürlich war die Zeit für wilden Lauch und Knoblauch längst vorbei. Aber vielleicht konnte sie für ihn ein paar Hagebutten auftreiben, wie sie der jagende Indianer gegessen hatte, oder Holzäpfel oder süße rahmige Papaus, die jetzt reif sein müssten. Außerdem fielen schon die ersten Schwarznüsse von den Bäumen. Margo stand auf und blickte ihm in die Augen. »Und sobald es regnet, finden wir bestimmt auch Riesenboviste.«
    »Ich muss es mir überlegen.« Er ging in die Hocke, gab diese Haltung aber nach wenigen Minuten auf und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden. »Starr mich nicht so an! Wenn man angestarrt wird, kann man nicht nachdenken.«
    »Wenn wir angekommen sind, mache ich Ihnen einen Entenbraten. Ihre Vorväter haben bestimmt auch Ente gegessen.«
    »Ich liebe Ente.«
    »Es gibt dort haufenweise Wildenten.« Sie ging zum Fluss und wusch sich Gesicht und Hände. Danach rieb sie die Haut mit etwas Sand ab und spülte sie sauber. Aus der Entfernung sah sie den Mann an.
    »Wenn du es dir nach der Ankunft anders überlegst, kann ich dich nicht zurückbringen!«, rief er. »Und wenn ich dich mitnehme, dann nur ohne Waffen. Und setz mir bloß keine seltsamen Pilze vor.«
    »Ich habe nur eine Büchse«, rief sie zurück.
    »Und ich habe etwas gegen Waffen. Außerdem ist das Mitführen von Waffen gesetzlich geregelt.«
    »Man darf im Auto ein Gewehr mitnehmen, wenn es ungeladen auf dem Rücksitz liegt.« Sie ging zu ihm, nahm die Büchse von der Schulter und zeigte ihm den Kolben. »Schauen Sie, hier ist ein Eichhörnchen ins Holz geschnitzt. Annie Oakley hatte so ein Gewehr zum Kunstschießen. Und das Metall hier ist Chrom.«
    »Es interessiert mich nicht, ob ein Gewehr schön ist oder nicht. Und du bist keine Kunstschützin.«
    Margo überlegte, ob sie eine Kunstschützin war, nur weil sie Kunstschießen geübt hatte. »Wenn ich von hier aus das grüne Ding da drüben vom Zaunpfosten schieße, nehmen Sie mich dann mit zum Kalamazoo?«
    »Was ist das für ein Ding?« Er ging mit Margo zum Pfosten und hob die Milchorange hoch, die sie daraufgesetzt hatte, legte sie aber gleich wieder zurück und wischte sich die Hände an der Jeans ab. »Es klebt und sieht eklig aus. Haben meine Vorväter diese Dinger gegessen?«
    »Nein, aber sie können einem Insekten und Spinnen vom Leib halten. Als Kinder haben wir sie Hirnfrüchte genannt.«
    Mit zwei Fingern hob er die Milchorange erneut hoch, roch daran und legte sie zurück.
    »Wenn ich sie aus zwölf Schritt Entfernung mit nur einem Schuss vom Pfosten schieße, kann ich dann mit?« Die Sonne schien auf die Milchorange und ließ sie aufleuchten.
    »Die würde wahrscheinlich sogar ich treffen«, meinte der Indianer. Er hob eine Nuss vom Boden auf und hielt sie ihr hin. »Was ist das? Sieht aus wie die Miniaturausgabe von diesen Dingern.«
    »Eine Eichel von einer Bureiche.«
    Er setzte sie auf die Milchorange. »Wie wär’s damit? Wenn du diese Eichel triffst, ohne die hässliche Frucht darunter zu treffen, kannst du mitsamt deiner Waffe mitfahren – vorausgesetzt, ihr seid beide nicht geladen.«
    »Die ist ganz schön klein«, gab Margo zu bedenken. Dabei war es eine große Eichel von fast zwei Fingerbreit Durchmesser. Bevor die Munition knapp geworden war, hatte sie oft Holzäpfel, die kleiner als diese Eichel gewesen waren, vom Zaunpfosten geschossen und in acht von zehn Fällen getroffen.
    »Mein Auto auch, wenn’s um Mädchen und Waffen geht.« Sie zählten die Schritte ab, und er stellte sich neben sie. Margo stützte die Marlin mit dem Kolben auf

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