Stromschnellen: Roman (German Edition)
gelesen hatte, hatte sie gehofft, irgendwann einem indianischen Jäger zu begegnen. Allerdings hatte sie sich darunter einen starken Indianer mit Pfeil und Bogen und dem Herzen eines Bärenmarders vorgestellt und keinen merkwürdig daherredenden Weichling ohne Waffen.
»Das Kaninchen und das Gemüse sehen gut aus.«
»Sie wirken gar nicht wie ein Indianer«, stellte Margo fest. Dabei hatte er tatsächlich Ähnlichkeit mit dem jagenden Indianer aus dem Buch, auch wenn er Jeans und Sweatshirt und keine Kleidung aus Hirschleder trug.
Er ging so dicht neben ihr in die Hocke, dass sie im Nacken seinen Atem spürte. »Warum um alles in der Welt zieht eine junge Frau im Naturschutzgebiet einem Kaninchen das Fell über die Ohren? Ich hab schon ein paar seltsame Dinge gesehen, seit ich hier in der Gegend bin, aber so etwas …«
»Ich hab mal einem Mann den Schwanz weggeschossen«, platzte sie heraus. »Nur damit Sie wissen, dass Sie mir nicht zu nahe kommen sollten.«
Er stand auf und betrachtete sie aus einem anderen Blickwinkel. »Machen Sie sich meinetwegen keine Sorgen. Ich bin glücklich verheiratet. Hören Sie, wenn das Fleisch in Ordnung ist, gebe ich Ihnen fünf Dollar dafür und obendrauf ein paar köstliche getrocknete Papayas und Ananas«, schlug er vor.
Sie streckte die Hand aus. Von Papayas hatte sie noch nie gehört. Ob das etwas Indianisches war?
»Wie alt sind Sie?« Er kramte in seinem Geldbeutel nach einem Fünfdollarschein und gab ihn ihr.
»Einundzwanzig.«
Die untergehende Sonne überzog sein Haar mit einem goldenen Schimmer. Auch seine Haut hatte einen goldenen Teint, so wie Brians, wenn er im Sommer draußen gearbeitet hatte. Dieser Indianer war hübsch, viel hübscher als Sitting Bull, der auf Fotos wie aus Stein gemeißelt aussah und gar nicht glücklich darüber wirkte. Und sofern der Mann nicht vorhatte, sie bei der DNR anzuzeigen, stellte er keine Gefahr dar. Als die Chipstüte neben ihr hochstieg, legte sie noch einen Stein darauf, damit sie unter Wasser blieb. Wenn sie sie auch nur ein paar Minuten aus den Augen ließ, würde sie sich einer der dicken, frechen Waschbären aus dem State Park schnappen.
»Warum kühlen Sie das Fleisch eigentlich?«
Hätte sie das nur ihren Großvater oder Brian gefragt! Vielleicht hatte es etwas mit Parasiten oder Bakterien zu tun. Auch der jagende Indianer hatte sein Wildfleisch vor dem Verzehr gekühlt. »Als Indianer sollte man das eigentlich wissen«, gab sie zurück.
»Ich bin in Lincoln aufgewachsen. Das liegt in Nebraska. Kaninchen gab es bei uns nie zu essen. Ich kannte nur Bugs Bunny aus dem Fernsehen.« Der Mann ging neben ihr am Ufer in die Hocke. »Du bist keine einundzwanzig. Du siehst wie siebzehn, höchstens neunzehn aus.«
»Warum haben Sie mich nach meinem Alter gefragt, wenn Sie es sowieso besser wissen?«
»Man kann dich unter all dem Schmutz kaum erkennen. Solltest du nicht bald zurück nach Hause zu deinen Eltern? Oder wartest du hier draußen auf einen Kerl, der deinen Eltern nicht passt?«
»Ich mag keine Männer.«
Er lachte und stützte ein Knie auf den Boden. Margo veränderte ihre Haltung nicht, obwohl ihre Beine langsam steif wurden. Der Mann schaute auf den Fluss, aber Margo wusste, dass sie länger durchhalten würde.
»Soweit ich weiß, hieß er früher Fluss der Drei Reiher , jedenfalls dieser Abschnitt hier«, belehrte er sie.
»Er heißt Stark River «, widersprach Margo. »Nach dem Forscher Richard Stark.«
»Hier gab es schon Menschen, lange bevor dieser Mr Stark mit seiner Mütze, seiner Pfeife und seiner Tweedweste aufgekreuzt ist«, sagte er und musterte sie verstohlen. »Ich folge dem Weg, den die Potawatomi auf ihrer Wanderung zurückgelegt haben. Der ganze Stamm ist zu Fuß aus dem Norden von Michigan bis zum Kalamazoo gezogen, vier- oder fünfhundert Meilen weit.«
»Warum?«
»Warum sie nach Süden gegangen sind? Oder warum ich ihrem Weg folge?«
»Zu Fuß sind Sie jedenfalls nicht unterwegs.«
»Wie heißt du?«
»Margaret«, sagte sie und korrigierte sich sofort: »Margo.«
»Namen sind sehr wichtig. Willst du meinen Namen wissen?« Seine Art zu fragen klang überheblich, als bildete er sich ein, sein Name habe eine besondere Bedeutung.
»Nein. Ihr Name interessiert mich nicht.«
»Dann sag ich ihn dir auch nicht. Du musst ihn erraten, wie bei Rumpelstilzchen.«
»Sie sind nicht von hier, stimmt’s?« Das sollte eine Beleidigung sein, aber der Indianer schüttelte nur den Kopf.
»Ich
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