Stürmische Begegnung - zauberhafte Eroberung
Chancen schlecht, was unser Aschenbrödel betrifft.“ Stephen hatte Hester diesen Spitznamen wegen ihrer Stellung im Haus und ihrer Unscheinbarkeit im Vergleich zu den beiden heiratswilligen Schwestern verpasst, obwohl diese – anders als im Märchen – keineswegs hässlich waren.
„Inwiefern?“
„Zum einen bist du kein Märchenprinz. Dir geht der nötige Charme ab.“
Lensborough schnaubte verächtlich. „Ich bezirze keine unschuldigen Mädchen, um sie ins Bett zu bekommen, das stimmt. Dieses Spiel hat mich nie gereizt. Aschenbrödel aus seinem elendigen Dasein zu erretten: Das fände ich reizvoll. Ihre niederträchtige Stiefmutter …“
„Verschusselte Tante“, verbesserte Stephen ihn.
„… lässt das Kind ja nicht einmal zu den Mahlzeiten aus seinem Kerker.“ Er ging wohlweislich darüber hinweg, dass er noch vor kurzem selbst der Meinung gewesen war, man müsse arme Verwandte wegsperren. „Ein Kerker auf dem Dachboden – und der einzige Zugang im Bedienstetentrakt!“
Stephen grinste. „Du warst fleißig. Welche Quelle hast du angezapft?“
„Meinen Kammerdiener. Und wenn man sie nicht da oben festhält, verbannt man sie ins Pfarrhaus in Beckforth, wo sie angeblich Miss Dean besucht, ihre engste Freundin.“
„Also sollte ich doch mit der lieblichen Emily flirten. Wir könnten gemeinsam einen Ausflug dorthin machen.“
„Ich brauche keine Hilfe.“
„Nein, dir ist wirklich nicht zu helfen. Aber es amüsiert mich, wie du dich zum Narren machst. Ich werde nie vergessen, wie Aschenbrödel dich vor versammelter Mannschaft wegen dieser verlorenen Masche angeherrscht hat.“
„Sie war schlecht gelaunt.“ Er zuckte mit den Schultern. „Es gab ein Missverständnis, das war alles.“
Er kam ins Grübeln. Für sein schreckliches Betragen bei ihrer ersten Begegnung hatte er sich immer noch nicht vernünftig entschuldigt; vermutlich trug sie ihm das weiterhin nach. Aber die Aussicht auf ein sorgenloses Leben an seiner Seite würde sicherlich schwerer wiegen.
„Und außerdem hat ihr Onkel ihr offenbar eingeschärft, sich von mir fernzuhalten, um die Chancen seiner Töchter nicht zu schmälern. Kein Wunder, dass sie nervös wird, wenn ich ihr ein wenig Aufmerksamkeit widme. Sobald ich mich ihr erkläre und ihr Schutz vor der Rache ihrer Familie anbiete, wird sie ganz anders auf mich reagieren.“
„Sicher?“
„Ganz sicher. Welche Frau könnte dem Heiratsantrag eines Marquis widerstehen?“
Am nächsten Morgen bändigte Hester gleich nach dem Frühstück ihr Haar mit einem bunt bestickten Baumwolltuch und versammelte die Kinder zu einer Kricketpartie oben im langen Flur.
Schon bald zeigte sich, wie weise es gewesen war, alles Zerbrechliche aus dem Weg geräumt zu haben, denn ihr zwölfjähriger Cousin Harry, Julias und Phoebes kleiner Bruder, hatte einen kräftigen Schlag.
Sie sprang hoch, um den Ball zu fangen, den Harry gerade geschlagen hatte, und griff doch wieder nur ins Leere. Zu ihrer Überraschung rief eines der Kinder: „Guter Fang, Sir!“, und Applaus brandete auf.
Welcher der Väter mochte so früh am Morgen lieber den Nachwuchs als die Ställe besuchen? Neugierig drehte sie sich um.
Es war Lord Lensborough, der auf sie zu schlenderte und dabei den Ball lässig mit einer Hand hochwarf und auffing.
„Damit sind Sie der nächste Schlagmann, Sir, nach unseren Regeln“, frohlockte Harry.
Hester riss erst den Mund auf und kniff dann die Lippen zusammen. Nur über ihre Leiche.
„Verbeugt euch vor Seiner Lordschaft, Kinder“, ordnete sie an und machte einen Knicks. Befriedigt registrierte sie, wie er die Brauen zusammenzog: Er hatte verstanden, dass er ihr nicht willkommen war.
„Haben Sie sich verlaufen, Mylord? Meine Cousinen erwarten Sie in der Bibliothek.“
Seine langen, schlanken Finger schlossen sich merklich fester um den Ball. „Das hier sieht viel interessanter aus. Überhaupt finden die interessantesten Dinge meistens da statt, wo Sie sich aufhalten. Lassen Sie Gnade walten; verdammen Sie mich nicht zum Tod durch Langeweile!“
Hester rang nach Luft. Was sollte das? Fand er etwas Gefallen am Umgang mit einer Frau, die allein auf der Straße herumlief, seinen Reitknecht trat, ihn bei jeder Gelegenheit beleidigte und sich mit einem Rudel ungebärdiger Kinder umgab?
„Unser Spiel wird Sie erst recht langweilen, Mylord.“
„Nicht so sehr wie die Konversation Ihrer einfältigen Tante.“
„Meine Tante ist nicht …“ Hester verstummte, als sie das
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