Stürmische Verlobung
der Vorstellung, dass sie nicht einmal bemerkte, dass Eliza nicht auf ihrem Platz saß.
Aber ihre Tanten bemerkten es. Sie grinsten hinter ihren geschlossenen Fächern, obgleich sie kein Wort sagten, als Eliza sich aufrappelte und wieder auf dem Sitz Platz nahm.
Unten im Parkett ließen sich die Theaterbesucher von Pagen Getränke bringen oder standen auf, schlenderten umher und plauderten hier und dort. Das laute Stimmengemurmel stieg getragen von einem unvermittelten Schwall heißer Luft zu der Loge auf, in der Eliza mit ihrer Familie saß.
Tante Letitia winkte mit ihrem Fächer, um einen der Theaterbesucher zu grüßen, dann wandte sie sich an Eliza. »Ich hatte gehofft, wir würden deinen jungen Mann treffen, Eliza. Ich habe ihn nirgends gesehen. Und du, Schwester?«
»Ich muss gestehen, meine Augen sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Ganz ehrlich, Lord Somerton hätte in der Loge uns gegenüber sitzen können, und ich hätte ihn in dem schummrigen Licht nicht erkannt.«
Eliza machte große Augen. Dann hatte Tante Viola Magnus also gesehen. Dessen war sie sich gewiss.
Tante Letitia klopfte mit ihrem Gehstock auf den Fußboden. »Wo bleiben unsere Erfrischungen? Eliza, sei so lieb und schau nach, wo unser Logendiener bleibt.«
»Was?« Eliza musste hörbar schlucken. Sie konnte nicht gehen. Nicht allein. Nicht, wenn Magnus hinter der Tür der Loge auf sie lauern könnte.
»Bitte, meine Liebe, ich bin wie ausgedörrt«, drängte Tante Viola.
Eliza schaute panisch zu Grace. »Kommst du mit, Grace?«
»Oh … natürlich«, sagte Grace, als ihr endlich aufging, dass etwas im Argen lag. »Ein kleiner Spaziergang hinunter ins Foyer wird mir guttun, um mir die Beine zu vertreten, bevor die Vorstellung weitergeht.«
Eliza legte ihre Hand auf die Balustrade, stand auf und warf einen letzten Blick auf Lord Somertons Loge. Noch immer leer . Sie und Grace traten Arm in Arm hinaus in den Gang und hielten auf das Foyer zu.
Grace tätschelte Elizas Hand. »Du kannst ganz beruhigt sein, Eliza. Ich glaube nicht, dass Lord Somerton hier ist.«
»Er ist hier. Ich habe ihn gesehen.«
Grace zog ihre Augenbrauen hoch. »Wo?«
»Er hat in der Loge uns gegenüber gesessen. Tante Viola hat ihn gesehen. Tante Letitia sehr wahrscheinlich auch. Deshalb haben sie mich losgeschickt, um nach den Erfrischungen zu schauen. Diese beiden hinterlistigen Kupplerinnen sind nicht halb so durstig, wie sie vorgeben.«
Grace riss bestürzt die Augen weit auf und trat schützend
vor Eliza. »Halt dich hinter mir. Wenn er uns entdeckt, werde ich ihn ablenken, während du flüchtest.«
Eliza seufzte verärgert und trat wieder an die Seite ihrer Schwester. »Sei nicht kindisch, Grace. Wir alle sind zivilisierte Erwachsene. Wenn er mit mir sprechen möchte, habe ich keine Einwände gegen den Austausch einiger höflicher Floskeln.« Was für eine Lüge das war .
»Du hast ihn ja vorhin nicht bei uns zu Hause gesehen, Eliza. Er war sehr aufgebracht, als ich ihm sagte, dass du eures Arrangements müde geworden wärst und ihn nicht empfangen würdest.«
»Du hättest nicht mit ihm sprechen sollen.«
»Das sagtest du bereits. Zweimal sogar.« Grace zuckte mit den Achseln, während sie neben Eliza die weit geschwungene Treppe hinunterging. »Ich begreife nicht, warum du so böse auf mich bist. Ich habe nur gesagt, was gesagt werden musste - zum Wohle von uns allen. Du hättest es nicht über dich gebracht.«
»Ich hätte es ihm schon gesagt, aber wann es mir passt.« Sie hielt ihre Schwester mitten auf der Treppe an. »Bitte, Grace. Misch dich nicht wieder ein.«
»Na schön. Ich bin sowieso sicher, dass er die Lage jetzt versteht, denn ich habe mich sehr klar ausgedrückt.« Grace schaute auf die versammelten feinen Leute am Fuß der Treppe. Plötzlich strahlten ihre Augen wie gleißende Laternen, und sie klammerte sich an Elizas Arm. »Ist das Lord Hawksmoor?« Sie lehnte sich gegen das Geländer. »Aber … das kann nicht sein. Reggie sagte mir, er müsse für vierzehn Tage nach Dunley Parish zurückkehren, und er wollte heute abreisen.«
Eliza folgte dem Blick ihrer Schwester. Oje . Es war Reginald. Und er war nicht allein. Er befand sich in Begleitung einer eleganten Dame, deren Gesicht Eliza nicht sehen konnte.
Grace sackte theatralisch gegen das Treppengeländer. »Er
ist mit einer anderen hier«, hauchte sie, und ihre Stimme hatte jegliches Zutrauen verloren. »Ich verstehe es nicht. Ich dachte, er … er hätte mich
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