Stuermischer Zauber

gesehen hab, und das war sie da, die sie angeführt hat.« Er zeigte mit einem verdreckten Finger auf Jean. »Sie is’ eine von Charlies Huren, hab ich gehört. Bin ihnen gefolgt, und die ganze Gruppe is' direkt zur Festung marschiert, und sie sind nich’ mehr rausgekommen seitdem.«
    »Ich verstehe.« Ormonds Energie veränderte sich: Aus dem rücksichtsvollen Gentleman wurde ein hartherziger Soldat. »Einige meiner Männer suchen bereits das Tal ab, und jetzt müssen wir auch das Schloss durchsuchen, Lady Ballister.« Er blickte Jean genauer an und fragte sich offensichtlich, ob sie das war, was sie vorgab zu sein.
    Gwynne zügelte ihre Angst und ihre Enttäuschung. Ruhig sagte sie: »Natürlich müsst Ihr sämtliche dieser Anschuldigungen untersuchen, Colonel. Selbst wenn sie Unsinn sind.« Der Blick, den sie Geddes zuwarf, war verächtlich. »Aber ich wünschte, mein Mann wäre hier, um diesem Burschen eine Lehre zu erteilen, da er auf so schändliche Weise meine Schwägerin beleidigt. Wie kann er es wagen, eine … eine Liaison zwischen Jean und dem Prätendenten anzudeuten!«
    »Wie Ihr bereits sagtet, Gerüchte schmücken oftmals die langweilige Wahrheit aus«, meinte Ormond. Er wünschte sich eindeutig, woanders zu sein.
    »Geddes ist vielleicht angesichts mancher Dinge verwirrt«, mischte sich der Major ein, »aber er hat mir eine exakte Beschreibung einer Gruppe Rebellen geliefert, die sich ins Tal geschlichen haben. Präziser als man es von einem betrunkenen Säufer erwarten würde.«
    Geddes schien ein wenig beleidigt zu sein, jedoch nicht so sehr, dass er protestierte. Schließlich hatte man ihm Geld in Aussicht gestellt.
    Der Colonel wirkte sehr gequält. »Ich schätze Eure Kooperation, Lady Ballister. Nicht jeder würde eine so … schwierige Situation mit so viel Anmut ertragen.«
    »Dunrath hat nichts zu verbergen.« Gwynne war fast überrascht, wie leicht es ihr fiel zu lügen. Der Wunsch, die Ihren zu beschützen, war eine mächtige Antriebskraft. »Ich werde mich Euch auf Eurer Suche anschließen, schließlich kenne ich das Schloss besser als Ihr. Obwohl ich noch nicht jeden Winkel kenne! Es ist ein alter und verwinkelter Ort.«
    Ormonds Brauen zogen sich zusammen. »Das wird eine schmutzige und ermüdende Angelegenheit, Ma am. Kein Ort für eine Lady, erst recht nicht, wenn sie ein so feines Kleid trägt wie Ihr.«
    »Ich lasse mir nie vorwerfen, ich hätte mich vor meiner Pflicht gedrückt«, erklärte sie fest.
    »Ihr seid ein Beispiel für alle wahren Damen«, bemerkte Huxley mit einem geradezu spöttischen Unterton.
    Wie Gwynne es sich gedacht hatte, war er nicht leicht zu täuschen, aber sie neigte graziös ihren Kopf, als nähme sie sein Lob für bare Münze. An Jean gewandt, sagte sie: »Du gehst und legst dich hin, Liebes. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
    »Wie du wünschst, Gwynne.« Obwohl Jeans Blick ihr verriet, dass diese gern mehr tun wollte, sah sie ein, dass es das Beste für alle Beteiligten war, wenn sie sich so sanftmütig und gefügig wie möglich gab. Sie knickste vor den Offizieren. »Gentlemen, ich wünsche Euch einen guten Tag.«
    Nachdem Jean sich zurückgezogen hatte, fragte Gwynne: »Gibt es einen bestimmten Ort, mit dem Ihr anfangen wollt? Eine gute Haushälterin beginnt stets oben und arbeitet sich nach unten vor, da dies die Richtung ist, in die der Staub rieselt.«
    Der Colonel lächelte. Ihm schien ihr Sinn für Humor zu gefallen. »Dann sollten wir auf dem Dachboden beginnen.«
    Während Gwynne voranging, untersuchte sie die emotionale Energie des Colonels. Er wollte glauben, dass sie, Jean und Dunrath unschuldig waren. Sie wären außer Gefahr, solange die Regierungstruppen keine Spur von den Rebellen fanden.
    Aber Gott stehe ihnen bei, wenn Major Huxley irgendetwas Verdächtiges entdeckte!

37. Kapitel
     
     
    Ein Dutzend Zellen säumten den feuchtkalten, alten Korridor. Duncan hatte diejenige bezogen, die der Tür zum restlichen Kellerbereich am nächsten lag. Nähe machte es einfacher, die Illusion aufrechtzuerhalten, die die Tür verbarg. Die Suchenden würden nichts als rauen Stein sehen. Im Moment forderte die Illusion nur einen kleinen Teil seiner Zauberkraft. Er würde den Zauber verstärken, sobald jemand auftauchte.
    In den Zellen herrschte Ruhe. Die meisten Männer lagen noch in erschöpftem Schlaf und erholten sich von ihrem langen Marsch durch unwegsames Gelände. Jean hatte sie hart rangenommen, und sie waren schon vor der Schlacht