Stürmisches Herz
und er wollte ihr nicht noch mehr Angst einjagen. Verdammt! Frauentränen hatten ihn bis jetzt nie beeindruckt. Was war an ihren Tränen anders?
Er stand geräuschlos auf, ging zu ihr hinüber und ließ sich neben sie auf den Boden fallen. Sie zog erschrocken die Luft ein, als er die Arme um sie schloß und sie an sich zog, so daß sie mit dem Rücken zu ihm lag.
»Keine Angst, kleine Katze. Entspann dich. Ich tue dir nichts.«
Sie war steif wie ein Brett. Sie traute ihm nicht, und er konnte ihr daraus kaum einen Vorwurf machen. »Ich werde Sie nur festhalten, nichts sonst«, erklärte er beruhigend. »Dann können Sie endlich aufhören zu weinen.«
Sie wandte sich ihm zu, und ihr tränennasses Gesicht rührte Chandos zutiefst. Ihre Augen waren wie große Wunden.
»Sie haben alles zerstört«, sagte sie jämmerlich.
»Das weiß ich«, bestätigte er, nur um sie zu beruhigen.
»Ich werde meinen Vater niemals finden.«
»Natürlich werden Sie ihn finden. Sie müssen nur eine andere Möglichkeit suchen, um zu ihm zu gelangen.«
»Wie soll ich das tun? Ich habe Ihretwegen so viel Geld für Lebensmittel ausgegeben, daß ich es mir nun nicht mehr leisten kann, nach Waco zu reisen. Ich habe Kleidungsstücke gekauft, die ich niemals tragen werde, ein Pferd, das so alt ist, daß Mr. Sieber es nie zurücknehmen wird, und einen nutzlosen Revolver, der mehr gekostet hat als das Pferd.«
»Ein Revolver ist nie nutzlos«, erklärte Chandos geduldig. »Hätten Sie den Ihren heute getragen, so hätten Sie verhindern können, daß ich auch nur in Ihre Nähe gelange.«
»Ich habe nicht gewußt, daß Sie mich angreifen werden«, erwiderte sie entrüstet.
»Das stimmt«, gab er zu. »Aber Sie hätten darauf gefaßt sein müssen. Hier draußen muß man auf alles gefaßt sein.«
»Jetzt bin ich es.« Sie spannte den Revolver, den sie unter der Decke versteckt hatte.
Er war nicht sonderlich beeindruckt. »Sehr gut, Lady, Sie lernen. Aber Sie müssen rascher reagieren.« Er griff unter die Decke, packte den Revolver am Lauf und entriß ihn ihr. »Das nächste Mal müssen Sie darauf achten, daß Sie schußbereit sind, vor allem, wenn Ihnen Ihr Ziel so nahe ist.«
»Es hat ja doch keinen Sinn«, seufzte sie hoffnungslos. »Ich hätte Sie ohnehin nicht erschießen können.«
»Wenn die Bedrängnis groß genug ist, kann man beinahe alles erschießen. Aber jetzt hören Sie endlich auf zu weinen, bitte. Ich gebe Ihnen auch Ihr Geld zurück.«
»Danke sehr«, erwiderte sie kurz angebunden und nicht im geringsten besänftigt. »Aber das nützt mir auch nichts. Ganz gleich, wie ich nach Texas gelange – ich kann nicht allein reisen. Und Sie haben mir klargemacht, daß ich niemandem vertrauen kann –«
»Es ist ohnehin falsch, daß Sie Ihren Vater aufsuchen, denn eigentlich sollte er zu Ihnen kommen. Schreiben Sie ihm.«
»Wissen Sie eigentlich, wie lange ein Brief nach Waco unterwegs ist? Sogar ich würde dort früher eintreffen.«
»Ich könnte den Brief hinbringen.«
»Sie reiten nach Waco?«
»Ich hatte es nicht vor, aber ich würde es tun.«
»Sie tun es bestimmt nicht«, widersprach sie unfreundlich. »Sobald wir uns trennen, würden Sie nicht mehr daran denken.«
»Ich habe gesagt, daß ich es tue, und ich pflege meine Versprechen zu halten.«
»Und was ist, wenn mein Vater nicht dort ist? Wie erfahre ich es?« Sie sah ihn bittend an, aber er schien sie nicht zu verstehen.
»Ich werde wahrscheinlich irgendwann wieder vorbeikommen.«
»Irgendwann? Ich soll auf irgendwann warten?«
»Was wollen Sie eigentlich von mir, Lady? Ich habe Wichtigeres zu tun, als Botengänge für Sie zu besorgen.«
»Ich will, daß Sie mich nach Waco bringen. Sie haben gesagt, daß Sie es tun werden.«
»Das habe ich nie gesagt. Ich habe Sie aufgefordert, aufgrund einer Liste eine Ausrüstung zusammenzustellen, und Sie haben den Schluß daraus gezogen, den Sie ziehen wollten.«
Er hatte nicht lauter gesprochen, aber sie spürte, daß er langsam die Geduld verlor. Trotzdem konnte sie nicht einfach darüber hinweggehen.
»Ich verstehe nicht, warum Sie mich nicht nach Waco bringen können. Sie reiten doch ohnehin nach Texas.«
»Sie haben wohl überhaupt nichts begriffen, nicht wahr?« Seine Stimme klang jetzt kalt.
»O doch«, widersprach sie unsicher.
»Wieso wollen Sie dann immer noch mit mir reiten?«
Courtney senkte verlegen den Blick. Er hatte natürlich recht. Eigentlich sollte sie nicht einmal mit ihm reden.
»Ich weiß,
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