Stürmisches Herz
ersten Mal erblickte, mit ihm verbunden; verbunden durch das, was er erlitten hatte und was sie erleiden würde. Als er ihr Leben schonte, wurde sie zu einem Teil seines Lebens.
Das wußte sie natürlich nicht. Und es gab auch keinen Grund, warum sie es erfahren sollte.
Es war ein Fehler gewesen, daß er nach Rockley gekommen war, um nachzusehen, ob sie noch dort lebte. Und es war ein noch größerer Fehler gewesen, daß er zurückgekommen war, um sie vor den Folgen ihrer Unüberlegtheit zu bewahren. Er war nicht für sie verantwortlich. Er wollte nur eines: sich von dieser Neigung befreien, das Band zwischen ihnen durchtrennen. Statt dessen brachte er sie nach Waco. Ja, er war eindeutig verrückt.
»Chandos?«
Er wischte sich den restlichen Schaum vom Gesicht, ergriff das Hemd, das am Sattelknopf hing, und wandte sich ihr zu, während er hineinschlüpfte. Sie saß äußerst damenhaft am Feuer und hielt einen Blechnapf in der einen und die Reste eines Pfannkuchens in der anderen Hand. Ihre Wangen waren tiefrot, und sie wich seinem Blick aus. Statt dessen musterte sie die Prärie rings um sie, auf der es weder Büsche noch Bäume gab. Er erriet sofort, worin ihr Problem bestand, und wartete ab, was sie sagen würde.
Sie sah ihn kurz an und wandte dann den Blick wieder ab. »Ich – ich glaube, ich habe … ich meine … ach, vergessen Sie's.«
Er unterdrückte mühsam ein Lachen. Sie war unglaublich. Sie litt lieber, als über etwas zu sprechen, das sie sichtlich für unaussprechlich hielt.
Er schlenderte zum Feuer und hockte sich neben sie. »Sie sollten etwas damit tun«, meinte er und schob ihr eine Locke aus dem Gesicht.
Courtney starrte seine gebräunte Brust mit den dunklen Haaren darauf an. Eigentlich hätte er das Hemd zuknöpfen können, bevor er sich ihr näherte. Doch sie würde sich vermutlich daran gewöhnen müssen, daß sie mit einem Mann unterwegs war, der nichts von guten Umgangsformen hielt.
»Natürlich«, erwiderte sie sittsam. Sie zog die Haarnadeln aus der Tasche, schlang das lange, honigbraune Haar schnell zu einem Knoten und steckte ihn im Nacken fest. Chandos ließ sie dabei nicht aus den Augen. Er würde Abstand von ihr halten müssen.
»Ich breche jetzt auf«, erklärte er unvermittelt. Als sie ihn erschrocken ansah, fügte er hinzu: »Lassen Sie sich nicht zu lange Zeit, sonst werden Sie Mühe haben, mich einzuholen.«
Er packte den Wasserkessel und seinen Blechbecher ein, trat das Feuer aus und ritt davon. Courtney seufzte hörbar erleichtert auf. Jetzt konnte sie endlich ihrem menschlichen Bedürfnis nachgeben.
Dann begriff sie plötzlich, daß er gewußt hatte, worin ihr Problem bestand. Wie schrecklich peinlich! Aber sie mußte wahrscheinlich ihr Zartgefühl vergessen, wenn sie mit einem Mann unterwegs war.
Sie beeilte sich, weil sie befürchtete, daß sie Chandos nicht mehr einholen würde, und machte sich so rasch wie möglich auf den Weg.
Ihre Besorgnis war unnötig gewesen. Er war etwa eine Viertelmeile geritten und hatte dann angehalten. Er blickte nach Westen und drehte sich nicht einmal um, als sie näherkam.
Erst als sie neben ihm hielt, sah er sie an und reichte ihr einen Streifen luftgetrocknetes Fleisch. »Kauen Sie das. Es sollte Ihren Hunger stillen, bis wir zu Mittag Rast machen.«
Er wußte also, daß sie immer noch, trotz der Pfannkuchen, halb verhungert war. »Danke«, flüsterte sie.
Doch Chandos traf keine Anstalten weiterzureiten. Als sie endlich aufblickte, stellte sie fest, daß seine unergründlichen blauen Augen sie fixierten.
»Das ist Ihre letzte Gelegenheit umzukehren, Lady. Das wissen Sie doch?«
»Ich will nicht umkehren.«
»Wissen Sie wirklich, worauf Sie sich einlassen? Hier draußen finden Sie nichts, was auch nur entfernt an Zivilisation erinnert. Und wie ich schon gesagt habe, bin ich kein Kindermädchen. Erwarten Sie nicht, daß ich etwas für Sie tue, was Sie selbst tun können.«
Sie nickte langsam. »Ich werde selbst für mich sorgen. Ich erwarte von Ihnen nur, daß Sie mich beschützen, wenn es notwendig ist. Das werden Sie doch tun?«
»So gut ich kann.«
Während er das getrocknete Fleisch wieder in seiner Satteltasche verstaute, seufzte sie erleichtert auf. Das war wenigstens geklärt. Und wenn er jetzt noch aufhören würde, sich so zu benehmen, als hätte sie sich ihm aufgedrängt, würden sie sogar miteinander auskommen. Er könnte zumindest aufhören, sie Lady zu nennen.
»Ich habe einen Namen, Chandos«, begann
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