Stürmisches Herz
»Das sieht Kane doch überhaupt nicht ähnlich.«
»Zuerst wollte er auch gar nicht. Er versuchte mich unbedingt davon zu überzeugen, daß es für mich am besten wäre, die Reise gar nicht erst anzutreten. Ich hatte schon alle Hoffnung aufgegeben, als er es sich plötzlich anders überlegte. Damals nahm ich an, daß er es tat, weil er ohnehin nach Texas wollte. Ich hatte ihm mein gesamtes Geld angeboten, falls er mich mitnahm, und er war damit einverstanden gewesen. Als ich ihn aber heute abend bezahlen wollte, wurde er zornig und sagte, er habe es nicht des Geldes wegen getan.« Sie zuckte hilflos die Schultern. »Er erklärte mir auch, daß ich in bezug auf seine Person nichts voraussetzen und auch nicht versuchen solle, seine Motive zu begreifen. Damit hat er sicherlich recht. Ich habe keine Ahnung, warum er etwas tut. Er ist der sanfteste Mensch, den ich kenne, und gleichzeitig der wildeste. Er kann zärtlich sein und mich beschützen, und dann wendet er sich gegen mich und will mich dazu bringen, daß ich ihn hasse.«
»Zärtlich? Beschützer? Ich hätte nie geglaubt, daß man diese Begriffe auf Courtney anwenden kann.«
»Vier Jahre sind eine lange Zeit, Mister Straton. Sind Sie noch der gleiche Mensch, der Sie vor vier Jahren waren?«
»Leider ja. Alte Esel lernen nichts dazu.«
»Sie wollen also immer noch aus Chandos einen anderen Menschen machen?«
»Nein, wenigstens in dieser Beziehung bin ich klüger geworden. Er ist zwar mein Sohn, aber nicht mein Eigentum. Aber verdammt – haben Sie >zärtlich< gesagt?«
Courtney wurde rot. Sie hatte ja praktisch zugegeben, wie es zwischen ihr und Chandos stand, denn warum wäre sonst ein Mann wie Chandos zärtlich?
»Chandos ist der zärtlichste Mann, den ich kenne, Mister Straton, aber er ist es nur sehr selten. Die meiste Zeit über ist er kalt, kurz angebunden, reizt einen bis zur Weißglut, ist eigensinnig, natürlich auch gefährlich, tödlich und erbarmungslos. Ach ja, auch herzlos. Und unberechenbar –«
»Ich habe schon begriffen«, unterbrach Fletcher sie lächelnd. »Er hat sich also doch nicht allzusehr verändert. Aber wieso haben Sie sich eigentlich in ihn verliebt, kleine Dame, wenn diese Beschreibung auf ihn zutrifft?«
Sie überlegte, ob sie es leugnen sollte, aber das hatte keinen Sinn. Außerdem wußte Fletcher wahrscheinlich von Maggie, daß Courtney Chandos liebte.
»Ich kann es auch nicht erklären. Sie, Maggie und Sägezahn haben jedoch offenbar einen falschen Eindruck bekommen und glauben, daß Chandos meinetwegen hierher zurückkommen wird. Das wird er nicht tun. Ich habe gesagt, daß er zärtlich war, aber nicht, daß er mich liebt. Falls er jemals hierher zurückkommt, dann bestimmt nicht meinetwegen.«
»Ich würde mich trotzdem freuen, wenn Sie auf meine Kosten eine Zeitlang hierblieben, Miß Harte.«
»Ich habe ohnehin die Absicht, in Waco zu bleiben.«
»Ich meine hier auf der Ranch.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Hat Maggie Ihnen nicht erzählt, daß mein Vater in Waco lebt? Er ist der Grund, warum ich nach Texas gekommen bin; ich habe ihn gesucht.«
»Ich weiß, Doktor Edward Harte. Aber das bedeutet nicht, daß Sie bei ihm leben müssen. Er ist frisch verheiratet. Sind Sie sicher, daß Sie bei ihm und seiner jungen Frau wohnen wollen?«
Es wäre ihr lieber gewesen, wenn er diese Frage nicht gestellt hätte. »Ich kann überhaupt erst dann etwas sagen, wenn ich mit meinem Vater gesprochen habe. Aber ich könnte auf keinen Fall hierbleiben.«
»Das sehe ich ganz anders. Wir sind einander nicht mehr fremd, und es gibt etwas, das wir gemeinsam haben. Wir lieben beide meinen Sohn.«
41. KAPITEL
»Es ist jetzt eine nette, ansehnliche Stadt«, erklärte Sägezahn, während sie im Wagen die Hauptstraße hinunterfuhren. »Sie war vor dem Krieg kleiner, aber nachher sind zahlreiche Südstaatler hierher übersiedelt und haben sich eine neue Existenz aufgebaut. Auch die Viehtreiber haben auf dem Weg nach Norden hier Station gemacht, und auch das war für die Entwicklung der Stadt günstig.«
»Aber es ist kein Viehverladeplatz, nicht wahr?« fragte Courtney besorgt.
»Wie die Viehverladeplätze in Kansas? Nein, Madam. Wenn die Cowboys hier durchkommen, haben sie es noch nicht nötig, Dampf abzulassen; das kommt erst, wenn sie den langen Ritt durch das Indianerterritorium hinter sich haben.«
Courtney lächelte. Natürlich war Texas ganz anders als Kansas. Sie erinnerte sich daran, wie froh sie gewesen war, nach dem
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