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Stumme Zeugen

Titel: Stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
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sagte er schließlich. »Ich bewege mich immer nur in ausgefahrenen Gleisen.« Er war ein schlechter Lügner.
    Sie blickte ihn misstrauisch an.
    »Ich hatte ein paar Gutscheine.« Auch das klang nicht überzeugend.
    Er bezahlte bar und ließ sie stehen. Als er den Wagen zum Ausgang schob, rauschte das Blut in seinen Ohren, aber er hörte noch, wie Pritzle die Kassiererin fragte, ob sie schon die Zeitung gelesen habe.
     
    Als er aus Kootenai Bay herausfuhr, warf Jess einen Blick auf den nordwestlichen Himmel, wo sich über den Bergen Gewitterwolken zusammenbrauten. Bis jetzt war es ein warmer und klarer Tag gewesen, doch bald würde es wieder regnen. Der Luftdruck würde sich ändern, und es war wahrscheinlich, dass heute Nacht mindestens zwei weitere Kühe
kalben würden. Er musste noch einen Zaun überprüfen. Diese Gedanken kamen ihm automatisch, bedingt durch Erfahrung und Routine. Der Zaun konnte warten, aber er hatte keinen Einfluss darauf, wann die Kühe kalbten. Er hoffte nur, vorher ein paar Stunden schlafen zu können.
    Und er hoffte noch inständiger, dass die Kinder in seinem Haus auf ihn warteten, dass alles in Ordnung war. Einmal musste er gegen Panik ankämpfen, als ihm der Gedanke kam, es könnte ihnen etwas zugestoßen oder sie könnten verschwunden sein.
    Gewohnheitsmäßig hielt er am Tor vor der Zufahrtsstraße, doch dann bemerkte er, dass es offen stand. Er stieg schnell wieder in den Pick-up, fuhr ein Stück vor und schloss es. Wer war auf seiner Ranch? Sein erster Gedanke war, dass es kein Einheimischer sein konnte. Die Leute aus der Gegend ließen keine Tore offen stehen. Als er die bewaldete Hügelkuppe hinter sich gelassen hatte, sah er im Tal sein Haus und wurde von nackter Angst gepackt. Am Ende seiner Auffahrt parkte ein schwarzer Pick-up, den er nicht kannte, und auf seiner Veranda stand ein Mann, den er noch nie gesehen hatte. Er schien mit einem Handy zu telefonieren und gestikulierte mit der anderen Hand. Jetzt erkannte er die Ähnlichkeit mit einem der Männer auf Annies Zeichnung. Es war der große Dunkelhäutige, der mit dem Schnurrbart.
    Er gab Gas. Die Angst löste sich auf, jetzt war er wütend. Das Haus wirkte so, wie er es zurückgelassen hatte. Verschlossene Türen, zugezogene Vorhänge. Die Kinder müssen da sein, dachte er, wahrscheinlich sind sie total verängstigt. Wer war dieser Mann, der sich unerlaubt auf seinem
Grundstück herumtrieb, und über die Veranda stolzierte, als gehörte sie ihm?
    Jess bremste ab und parkte hinter dem schwarzen Pick-up. Jetzt hatte ihn der Mann gesehen. Er klappte sein Handy zu, verschränkte die Arme vor der Brust und wartete mit einem wütenden Blick.
    »Ist das Ihr Haus?«, fragte er, bevor Jess etwas sagen konnte.
    Jess schlug die Wagentür zu und ließ seine Einkäufe in dem Pick-up. Der Mann auf der Veranda wirkte bedrohlich. Er war jünger als Jess und schien fünfunddreißig Pfund mehr auf die Waage zu bringen. Jess stützte sich auf die Motorhaube seines Wagens. Der Motor tickte, während er abkühlte. Normalerweise hatte er wegen der Kojoten seine Winchester in dem Pick-up, aber er hatte sie vor ein paar Tagen herausgenommen, um sie zu säubern, und vergessen, sie wieder an ihren Platz zu legen.
    »Das ist meine Ranch«, sagte er. »Ich frage mich, was Sie hier zu suchen haben.«
    Der Mann schnaubte. »Ich bin im Auftrag des Sheriffs hier. Falls Sie es noch nicht gehört haben, zwei Kinder aus der Gegend sind spurlos verschwunden.«
    »Ich habe Sie noch nie gesehen.«
    »Kein Wunder. Ich gehöre zu den Freiwilligen, die Sheriff Carey bei seinen Ermittlungen unterstützen.«
    Jess blickte auf den Rücken des Mannes, der sich in der Scheibe des Wohnzimmerfensters spiegelte, und sah den Griff einer Pistole aus dem Hosenbund hervorschauen.
    »Dann sind Sie einer von den Excops«, sagte Jess. »Haben Sie auch einen Namen?«

    »Dennis Gonzales. Sergeant Dennis Gonzales, LAPD.«
    »Nicht mehr.«
    Gonzales rollte die Augen und grinste, wobei er die Zähne unter seinem buschigen Schnurrbart entblößte. »Nein, nicht mehr. Doch das spielt keine Rolle. Jetzt arbeiten wir für Ihren Sheriff.«
    »Ich hab’s gehört. Das gibt Ihnen nicht das Recht, mein Grundstück unbefugt zu betreten.«
    »Unbefugt?« Gonzales’ Grinsen wurde breiter, aber der Blick seiner dunklen Augen blieb hart. »Ich weiß nicht, ob das der richtige Ausdruck ist, Mister. Wir gehen von Haus zu Haus, um Anhaltspunkte auf den Verbleib der Kinder zu finden. Ihre Ranch

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